Krisen bieten Unternehmen die Chance, notwendige Veränderungen anzustoßen, um resilientere und nachhaltigere Strukturen zu schaffen. Um hier zu unterstützen, organisiert der BDU einmal jährlich die Fachkonferenz Sanierung, die sich seit mehr als 20 Jahren als Austauschplattform für Transformations-, Restrukturierungs- und Sanierungsexperten etabliert hat.
Anlässlich der diesjährigen Veranstaltung begrüßten am 7. März Dr. Sylwia Maria Bea-Pulverich (Sprecherin des Distressed Ladies e.V.) und Burkhard Jung (Vorsitzender des BDU-Fachverbands Unternehmensrestrukturierung) wiederum zahlreiche Berater/-innen, Insolvenzverwalter/-innen, Rechtsanwält/-innen und Wirtschaftsprüfer/-innen im Steigenberger Grandhotel Petersberg in Königswinter. Im Konferenzfokus lagen neben den aktuellen geo- und wirtschaftspolitischen Unsicherheiten auch traditionelle Themen wie die Beraterhaftung, die operative Sanierung und Finanzierungsoptionen.
Fachverband mit neuem Fokus
Der Fachverband Unternehmensrestrukturierung versteht sich, so betonte der Vorsitzende Burkhard Jung im Rahmen der Konferenzeröffnung, als Heimat für seine Mitglieder, die den Mittelstand beraten. Um den gestiegenen Herausforderungen gerecht zu werden, wurde nicht nur die Fachverbandsbezeichnung von ehemals „Sanierungs- und Insolvenzberatung“ nun in „Unternehmensrestrukturierung“ umbenannt, sondern auch die inhaltliche Arbeit in den Bereichen „Transformation, Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz“ auf neue Grundlagen gestellt – zum einen in Form der neuen Grundlagen ordnungsgemäßer Unternehmensrestrukturierung (GoU) und erweitertem Beirat. Er soll den Verband verstärkt in seiner Kommunikation in die Branche und in die Politik unterstützen.
Tatkräftige Unterstützung leisteten bei der Fachkonferenz zudem wie schon im Vorjahr die Distressed Ladies, bei denen sich mittlerweile ca. 120 Expertinnen versammelt haben und ihre vernetzte Expertise pflegen.

Konjunktur, Wachstum, Transformation: Sand im Getriebe

Die Krise in der Industrie, hohe Politikunsicherheiten und deutlichere Schrammen am Arbeitsmarkt sowie eine seit fünf Jahren im Krebsgang befindliche Produktivität kennzeichnen die aktuelle Lage. Deutschland ist, so Prof. Dr. Stefan Kooths (Direktor Forschungszentrum Konjunktur und Wachstum, Kiel Institut für Weltwirtschaft), im ersten Hauptvortrag, mittlerweile selbst ein Sanierungsfall, ein Aufschwung sei nicht in Sicht. Etwas zugespitzt formulierte er: „Konjunktur lahmt, Politik lähmt, Wachstum leidet“. Die Energiekrise liege nicht nur an externen Beschaffungskosten, sondern insbesondere auch an der nicht stimmigen Energiepolitik. Das Deutschland wie kein anderes Land der Welt nur auf Erneuerbare Energien setzte, sei ein im internationalen Vergleich extrem teurer Alleingang. Es habe sich ein tiefes Misstrauen gegen die Marktkräfte herausgebildet. Ein Lichtblick seien nur die sonstigen Anlageinvestitionen (F&E) im privaten Sektor. Zölle werden zusätzlich belasten.
Neustart für Galeria
Einen aufschlussreichen Blick hinter die Kulissen von Investorenprozess und Insolvenzplan gewährten Britta Grauke (Rechtsanwältin, Partnerin Weil, Gotshal & Manges LLP) und Katharina Gerdes (Rechtsanwältin, Partnerin BRL BOEGE ROHDE LUEBBE) zum Galeria-Neustart. Sie kennzeichneten zunächst die Sachlage bei der Antragstellung: Die dritte Insolvenz innerhalb von vier Jahren soll nun in einen Befreiungsschlag unter Loslösung von Signa überführt werden. 92 Filialen, rd. 14.500 Mitarbeiter und ein junges dynamisches Managementteam drücken die Daumen und setzen auf WSF als größten Finanzgläubiger sowie einen engagierten Gläubigerausschuss; alle agieren in einem nach wie vor schwierigen Marktumfeld im Bereich Retail. Kernpunkt des Prozesses waren die Vermietersituation und die Einleitung eines M&A-Prozesses unter sehr professioneller Mitwirkung des Gläubigerausschusses. Zielsetzungen des Investorenprozesses waren die Liquiditätssicherung, eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung, der Erhalt möglichst vieler Filialen und Arbeitsplätze sowie Transaktionssicherheit.


Aufgestellt wurde letztlich ein Insolvenzplan mit Formwechsel unter Einbeziehung von Investoren mit ausländischer Finanzierung/Finanzierungsnachweis. Der Abschluss der Investorenvereinbarung erfolgte während der laufenden Verhandlungen mit den (teilweise insolventen) Vermietern; Kernthema war die Anzahl der zu erhaltenen Filialen mit Mitarbeiterabbau als „moving target“; es musste bis zur Verfahrensaufhebung umgesetzt werden. Parallel lief noch die Abwicklung der vorherigen Insolvenz.
Transformationspfade Deutschland
In seinem Wake-up-Call für ein Zukunfts- und wettbewerbsfähiges Industrieland ging Dr. Ralf Moldenhauer (Managing Director & Senior Partner, Boston Consulting Group GmbH) auf die vom BDI bei der Boston Consulting Group und dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Auftrag gegebene Studie „Transformationspfade" ein. Es gebe auch viele Wachstumschancen, nicht nur Beängstigendes. Dennoch müsse man konstatieren, dass die Standortattraktivität stark unter Druck geraten ist. Erfolgssäulen früherer Jahrzehnte wie günstige Energie, großes Fachkräfteangebot, Technologievorsprung und Exporterfolg sind brüchig geworden. Nun gefährden Energiepreisnachteile, eine problematische Demographie-Entwicklung, die Software-Dominanz ggü. Hardware und ein zunehmender Protektionismus die bestehenden Geschäftsmodelle. Moldenhauer sieht jetzt schon 20% der deutschen Industriewertschöpfung gefährdet, wobei die starken Verflechtungen zwischen Branchen Effekte noch verstärken können. Die Industrie sei am Scheideweg: Scheitern oder Transformieren.
Mit den geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist ein einfaches Vertrauen in den freien Markt nicht mehr ausreichend. Industriepolitische Eingriffe sind erforderlich. Ohne staatliche Steuerung drohe ein Verlust an Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit. Der oben zitierten Studie sind 16 Handlungsfelder zu entnehmen, z.B. die Kreislaufwirtschaft stärken und finanzielle Investitionsanreize schaffen. Man könne sich nicht gesundsparen, sondern sich nur aus der Krise „herausinvestieren“!

Der Experte Moldenhauer empfahl, sich auf fünf Handlungsbereiche für eine erfolgreiche Gestaltung des Transformationsbedarfs zu fokussieren:
- Erneuerungsstrategie für die Wettbewerbsfähigkeit,
- Industrietransformation und Dekarbonisierung zur Steigerung von Produktivität und Resilienz,
- Fokus auf Wachstumstechnologien wie Greentech und Digitalisierung,
- Investitionspaket aufstellen und umsetzen,
- Investitionsbedarf als Generationenaufgabe betrachten.
Grundlagen ordnungsgemäßer Unternehmensrestrukturierung (GoU)

Im Rahmen der beratungsrelevanten Aspekte bestehen die phasenunabhängigen Tätigkeiten in der Orchestrierung des Prozesses (inkl. Einbindung und Steuerung der Spezialisten), im Stakeholder-Management mit Ausbalancierung von Partikularinteressen, in der Risikoanalyse (z.B. Ausschluss von Insolvenzeröffnungsgründen) und im Umsetzungsmanagement mittels PMO. Die phasenspezifischen Tätigkeiten reichen von der strategischen Neuausrichtung und Neumodellierung des Geschäfts bis hin zur Entwicklung von Sanierungsszenarien und der Erstellung eines Sanierungsplans. Aktuell phasenübergeifend zu berücksichtigende Beratungsschwerpunkte sind u.a. der ESG-Reifegrad und die Agilitätsstärkung.
An der Erstellung der neuen GoU waren Prof. Dr. Markus Exler (Vorstandsmitglied des BDU-Fachverbands Unternehmensrestrukturierung) und Prof. Dr. Henning Werner (IFUS-Institut an der SRH Hochschule Heidelberg und Beirat des BDU-Fachverbands Unternehmensrestrukturierung) federführend beteiligt. Die GoU verstehen sich als Ergänzung zu anderen Standards, nicht als Alternative. Das Set ist in Ablösung der Vorgängerversion von 2015 quasi als eine „Geschäftsgrundlage“ für die Zusammenarbeit der verschiedenen Beteiligten in Transformations-, Restrukturierungs- und Sanierungsprozessen entstanden.
Neu ist die Unterscheidung von Transformation, Restrukturierung und Sanierung. Bei den Allgemeinen Arbeitsgrundsätzen wird zwischen der Auftragsanbahnung und Auftragsdurchführung unterschieden, wobei zu letzterem die Stakeholder-Einbindung, die Aufsetzung der Projektorganisation sowie die klare und transparente Gestaltung der Kommunikation gehören.
Erfolgsfaktor Kommunikation in Restrukturierung und Turnaround
Selina von Hoyningen-Huene (Managing Director, FGS Global) und Tina Kunath (Partnerin, FGS Global) empfahlen im Rahmen ihres Vortrags eine Checkliste zur Kommunikation im Turnaround:
- Eskalations- und Leak-Risiken antizipieren und eindämmen
- Effektive eigene Botschaften setzen, mehr Share of Voice und Wirkkraft durch One-Voice
- License to operate (and change) absichern mit Stakeholder-spezifischer Ansprache
- Einsatz und Aufwand bündeln und optimal nutzen mit strategisch-taktischer Kommunikation
- Mit Transparenz und Konsistenz punkten und Vertrauen (wieder-)herstellen
- Spielraum schaffen mit Detailplanung, ad-hoc Beratung und vorgedachter Kommunikation


Auf dieser Grundlage lauten ihre Empfehlungen zur Kommunikation im Turnaround zunächst einmal, mit einem überzeugenden Zielbild und klarem Plan eine Perspektive zu geben. Hierbei sei auf eine einfach verständliche Sprache, die nachvollziehbare Einordnung der Maßnahmen und auf eine empathische, wertschätzende Vermittlung zu achten. Es komme darauf an, die persönliche Kommunikation zu priorisieren und Führungskräfte in ihrer Rolle zu unterstützen. Das liefert die Basis, um relevante Stakeholder zu identifizieren sowie einen medial reaktiven Ansatz zu prüfen. Hier müssen Botschaften zielgruppenspezifisch erarbeitet und in passenden Formaten vermittelt werden. Insgesamt gesehen sei zu empfehlen, eine strukturierte Kommunikation während des gesamten Prozesses sicherzustellen sowie kritische Szenarien zu antizipieren und entsprechende Aktionen vorzubereiten.
Komplexe Finanzierungen meistern
Die Art der Finanzierungsinstrumente, die beteiligten Stakeholder, das Unternehmen selbst und exogene Schocks sind die nach dem Erfahrungshorizont von Andrea Schröter (Leitung Debt Advisory, CFC Corporate Finance Contor GmbH) vorherrschenden Komplexitätsfaktoren. Diese sind bei Strategien zur Umsetzung umfassender Finanzierungen zu berücksichtigen. In der Situationsanalyse ist zunächst die Schaffung von Transparenz über die Ursachen der operativen Entwicklung erforderlich, es folgt die (Schwachstellen-)Analyse der aktuellen Finanzierunginstrumente, der Sicherheitenstruktur, der Interessen der Kapitalgeber und möglicher Angriffspunkte. Dann schließt sich die Ausarbeitung und Abschätzung der Finanzierungsoptionen (Bankkredite, Fördermittel, Asset-Finanzierungen etc.) an. In der Phase 2, der Verhandlung & Kommunikation mit Investoren und Banken, geht es um die klare Kommunikation der Ziele, um eine verlässliche Zeitschiene und den (Wieder-)Aufbau von Vertrauen durch Transparenz & Übereinstimmung von Kommunikation und Handeln.

Zentrale Erfolgsfaktoren der Umsetzung einer komplexen Finanzierung haben sich in der Finanzierungspraxis wie folgt herauskristallisiert:
- Schaffung von Transparenz durch erstmalige vollständige Ist-Aufnahme der gruppenweiten Finanzierungsstruktur „from scratch“
- Ausarbeitung und Abwägung mehrerer Finanzierungsoptionen
- Intensive Bankenausschreibung
- Nachweis der Vorteilhaftigkeit der neuen Finanzierung ggü. den Stakeholdern
- Detaillierter Projektplan mit abteilungsübergreifendem Projektteam von Kunde, Bank, Anwalt und Berater
- Professionalisierung des Reporting, um Kapitalmarktanforderungen gerecht zu werden (Stichwort: Souveräne Kommunikation)
- Schaffung von Transparenz in Bezug auf die Cashflow-Driver des Unternehmens
- Entwicklung einer vereinfachten Formel zur Kalkulation des Kreditbetrags
- Zielgerichtete Eskalation der divergierenden Kapitalgeberinteressen
Insolvenz von Staaten

Zum Abschluss des Fachkongresses nahm der renommierte Insolvenzexperte Prof. Dr. Christoph G. Paulus (Of Counsel, White & Case LLP Insolvenzverwaltung) die Teilnehmer auf eine grenzüberschreitende Reise zur Frage mit, inwieweit auch Staaten als solchen Insolvenzen drohen, und ließ Einblicke in seinen umfangreichen Erfahrungsschatz zu. In dem von ihm geprägten Begriff des Resolvenzrechts erläuterte er unter Verweis auf frühere Veröffentlichungen (z.B. Paulus, Schritte auf dem Weg zu einem Resolvenzrecht für zahlungsunfähige Staaten, WM 2015 S. 953), warum, wie und von wem Staaten Gelder leihen. Insbesondere verschlinge derzeit in Russland die Kriegswirtschaft Unsummen. Gegenwärtig bestehe das Problem der „weaponisation of financial instruments“. Dass aktuelle Bestrebungen, die Schuldenbremse zu lockern, am Ende sogar in einen Staatsbankrott führen könnten, sei derzeit zwar nicht zu befürchten, bleibt historisch gesehen aber abzuwarten, unerfahren ist Deutschland ja nicht (so zuletzt 1948).
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Kai Haake, Heike Borchert-Dietz, Ulrike Hauschild
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