HR-Management

Bescheidenheit ist eine Zier – wie viel davon ist im Führungsalltag möglich?

„Bescheidenheit ist eine Zier“ – dieser Spruch dürfte vielen von uns noch aus der Kindheit in Erinnerung sein – er wurde von den Großeltern häufig im Zusammenhang mit „Demut“ zitiert. In der heutigen Zeit hat man den Eindruck, dass dieses alte Wertesystem nicht mehr „zeitgemäß“ ist.

Wer sich zurückhält und sich nicht nach vorne drängt, ist in dieser „schnellen“ Gesellschaft häufig zu unauffällig um beachtet zu werden. Marketing und Verkauf der eigenen Person sind wichtige Faktoren für den Erfolg.

Interessanterweise wurde in den letzten Jahren ein immer größerer Fokus darauf gelegt, Führung und Demut miteinander in Verbindung zu setzen. Bescheidenheit und Demut – in Zusammenhang mit erfolgreichem Management, vom Gefühl heraus eher gegenteilig? Schaut man sich die originäre Definition des Begriffs „Demut“ einmal näher an, wird der Grundgedanke schon etwas deutlicher. Der Ausdruck   „Demut“   kommt   aus  dem   althochdeutschen  „diomuoti“   und  bedeutet   „dienstwillig“ (Wikipedia). Schon Friedrich der Große definierte den Herrscher als „den ersten Diener des Staates“. In diesem Sinne wäre also eine demütige Sichtweise im Bereich Führung eine „dienende Ausrichtung“ im Management.

Robert Greenleaf ist Begründer dieser Führungsphilosophie und sieht das Wirken von Führenden als Dienst am Geführten. Führen beginnt hier mit einem „Grundbedürfnis des Führenden einen eigenen Beitrag zum Wohl einer Organisation oder anderer Individuen zu leisten und endet mit dem Vertrauen, das die Geführten daraufhin in die Führung dieser Person setzen – und ihr freiwillig folgen“ (Krost, M. &  Kaehler,  B.).  In  den  USA  findet  man  diesen  Führungsansatz  in  vielen  Unternehmen,  häufig kombiniert mit einer christlichen Wertevorstellung.
In Deutschland ist das eine Sichtweise, die nicht so verbreitet erscheint, aber wenn man sich das Beispiel Friedrichs des Großen ansieht – ist sie schon lange auch hier zu finden. Wie weit sind wir bereit zu „dienen“, uns demütig zu zeigen? Liegt es uns als Führungskraft so aufzutreten?

In erster Linie ist das „Dienende“ ein wichtiger Faktor – es geht nicht darum sich zu unterwerfen und alles zu tun, was die Mitarbeiter wollen, sondern sich daran zu orientieren, was die Bedürfnisse sind. Für  Führungskräfte  ist  es  häufig  ein  Spagat  zwischen  den  Bedürfnissen,  die  der  Markt  dem Unternehmen vorgibt und den persönlichen und individuellen Bedürfnissen der Mitarbeiter. In diesem Sinne ist die Führungskraft ein „Diener zweier Herren“ und dies ist keine leichte Aufgabe. Orientiere ich mich nur am Markt, vernachlässige ich sehr leicht den Menschen. Gerade in der heutigen Zeit mit einem sich stark verändernden Arbeitsmarkt, kann man sich dies als Führungskraft nicht mehr erlauben. Nicht umsonst sind Employer Branding Maßnahmen fast überall im Fokus der Unternehmenspolitik und es werden immer mehr Maßnahmenpakete und Freiheiten für Mitarbeiter möglich gemacht.
Der „Servant Leader“ ist also so etwas wie die „eierlegende Wollmilchsau“ – nett, freundlich, auf den Menschen fokussiert, einer dem alle folgen und mit Geschäftsergebnissen, die jeden Aufsichtsrat glücklich stimmen. Wie sehen Sie sich hier – erkennen Sie sich wieder, oder sagen Sie für sich selbst unmöglich?

Gehen wir einen Schritt weiter – was bringt uns dazu mit dieser „dienenden“ Sichtweise an die Führungsaufgabe heranzugehen? Demut, in seiner Urdefinition des Dienenden, erfordert sich auf den Menschen einzulassen und zu fühlen was diesen bewegt. Schaut man auf die neuesten Hirnforschungen im Bereich Sozialverhalten, so zeigt diese, dass dieses soziale Verhalten in weiten Teilen in unserem Gehirn angelegt ist.
Hier spielen allerdings verschiedene Gehirnteile und Vernetzungen eine Rolle – es gibt nicht „den Gehirnteil für moralisches oder soziales Verhalten“. Wie vieles im Leben ist dies eine Summe von vielen Faktoren. Neben den Spiegelneuronen im Gehirn, die uns ermöglichen Verhaltensweisen von anderen Menschen aufzunehmen und zu kopieren,  verfügt der Mensch auch über die Gabe, „Theory of  Mind“  genannt,  sich  in  einen  anderen  Menschen  hineinzuversetzen  und  die  Perspektive  des anderen anzunehmen. So kann man verstehen und auch teilweise voraussehen, wie jemand denkt und welche Absichten er hat. Dies sind Faktoren, die uns in der Beurteilung von Situationen, z.B. was gerecht und ungerecht erscheint, weiterhelfen. Es ist mit ein Faktor, der uns in unserem moralischen Verhalten (neben dem, was wir im Laufe unseres Lebens „lernen“) bestimmt. (Dörhöfer, P.)
So ist das dienende Führungsverhalten eigentlich in Teilen in uns angelegt, die Frage ist, was wir in unserem Leben gelernt haben, davon zu nutzen. Der Neurowissenschaftler Simon Eickhoff formuliert es wie folgt: „Das Gehirn ist darauf ausgerichtet aus der Umwelt zu lernen und sich optimal an seine Anforderungen anzupassen“ (Dörhöfer, P.). Somit haben wir die Anlagen zu einem sozialen und verstehenden Führen in uns, die Aufgabe der Führungskraft ist es nun, dies entsprechend an die Anforderungen der Umwelt anzupassen. Keine leichte Aufgabe, aber ein Anspruch, dem man sich in seiner Führungsaufgabe stellen sollte

Es ist wie häufig im Leben – die „alten“ Sprüche bergen dann doch so einiges an Wahrheit – die Bescheidenheit und Demut ist also gewissermaßen in uns angelegt – es kommt nur darauf an, wie sie genutzt und den äußeren Umständen entsprechend angepasst wird.




Quellen:
Dörhöfer, P.: Wo die Moral ihren Sitz hat. Frankfurter Rundschau, 13.9.2014
Krost, M. & Kaehler, B.: Servant Leadership: Die Führungskraft als Diener? Personalführung 6/2010
Wikipedia: Definition Demut