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Wird Home Office zum neuen Standard?

Die Corona-Pandemie hat dazu beigetragen, dass Mobiles Arbeiten in aller Munde ist. Ein Mix aus Home Office und Präsenzzeiten im Büro könnte zum neuen Standard werden. Ein Pfund, mit dem Unternehmen im Kampf um Talente wuchern können.

Das zeigt sich auch in der jüngsten Umfrage „Global CEO Outlook“ von KPMG. Ein Ergebnis: Die meisten der befragten CEOs (68 Prozent) fühlten sich mit ihren Mitarbeitern besser verbunden. „77 Prozent der Unternehmen werden weiter die in der Corona-Zeit ausgebauten, digitalen Kollaborations- und Kommunikationswerkzeuge nutzen“, berichtet die Prüfungsgesellschaft.

 

Home Office wird immer mehr zum Standard. Die Corona-Pandemie hat hier jedoch lediglich als Katalysator gedient. Hintergrund ist vielmehr eine neue Generation jüngerer Manager und Managerinnen, die mit einem anderen Führungsstil arbeiten.

 

Als ich selbst vor 17 Jahren nach der Geburt meines Sohnes anfing, von zuhause aus zu arbeiten, bot mein damaliger Chef mir alle notwendige Unterstützung. Skepsis, vielleicht auch Neid, gab es eher unter den Kollegen. Home Office ist jahrelang mystifiziert worden, wenn man es durfte, war das der Ritterschlag. Die weit verbreitete Meinung war: Wer von zu Hause arbeitet, muss weniger tun und hat stattdessen Zeit, sich um private Dinge zu kümmern. Weit gefehlt. Home Office heißt nur, dass ich meine Arbeit an einem anderen Ort ausübe, aber mit der gleichen Intensität.

 

Remote führen

Das Vorurteil dürfte sich mittlerweile – dank Corona – weitestgehend erledigt haben. Was sich ebenfalls gezeigt hat: Home Office rückt Leistungsorientierung in den Mittelpunkt. Die Führungskraft nimmt nicht mehr Anwesenheitszeit im Büro oder den individuellen Einsatz wahr, sondern sieht und vergleicht in erster Linie Arbeitsergebnisse.

 

Für wen eignet sich das Modell Mobiles Arbeiten also überhaupt? Für jemanden, der eng geführt werden möchte oder den Austausch mit Kollegen vor Ort schätzt, jedenfalls nicht. Auch nicht für Chefs, die ich als „klassische Micro-Manager“ bezeichnen würde. Wer sich eng abstimmen und versichern möchte, alles richtig gemacht zu haben oder gerne von seinen bereits erledigten To Dos berichtet, ist mit Heimarbeit nicht gut bedient.

 

So könnte die Corona-Pandemie dazu geführt haben, dass viele Manager und Managerinnen ihren Führungsstil ändern mussten oder noch daran arbeiten, ihn zu ändern. Denn Kontrolle ist zwar möglich, aber mit ungemeinem Aufwand verbunden. Remote führen heißt das neue Zauberwort. Es gilt, Verantwortung nach unten abzugeben, zu delegieren.

 

Talente werben mit Heimarbeit

Natürlich können die gerade lieb gewonnen Tools wie Slack, Zoom, Teams und Co. bei der neuen Art der Führung helfen. Sie ersetzen aber nicht jeden persönlichen Termin. Ich empfehle eine sinnvolle Kombination aus virtuellem und persönlichem Austausch. Denn kritische Themen lassen sich online schlecht besprechen, hier ist ein persönliches Gespräch vorzuziehen. In einem Skype-Meeting ist es schwer, Zwischentöne herauszuhören oder mitzubekommen, ob jemand gedanklich abschaltet. Häufig ist nur ein Bildausschnitt zu sehen, die Auflösung ist mitunter nicht gut, die Körpersprache schwer zu interpretieren. So könnte das „new normal“ in Zukunft bedeuten, einige Tage die Woche vor Ort, einige Tage zuhause zu arbeiten.

 

Mobiles Arbeiten vergrößert den Pool möglicher neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Führungspersonal. Unternehmen, die mobile Arbeitsformen anbieten, haben Vorteile auf einem hart umkämpften Führungs- und Fachkräftemarkt, müssen aber eventuell auch in ihre digitale Infrastruktur investieren, um das Arbeiten von zuhause zu ermöglichen.

 

Gerade der klassische deutsche Mittelstand hat häufig damit zu kämpfen, nicht in München, Berlin oder Hamburg angesiedelt zu sein, sondern traditionell in eher ländlich geprägten Regionen. Welcher hochkarätige, internationale Manager ist schon bereit, in eine Region zu ziehen ohne internationale Schule und entsprechende Angebote für die Ehefrau und deren Karriere? Wer sich aber in der nächsten Metropolregion niederlassen kann und nur jeden zweiten Tag in die Firma fahren muss, für den sieht die Sache schon ganz anders aus. Der Nachteil: Je selbstverständlicher mobiles Arbeiten wird, desto leichter lassen sich Potentialträger von ebenso flexiblen Arbeitgebern weglocken. Die Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern also darüber hinaus einiges bieten.

 

Nicht umsonst sehen laut der KPMG-Umfrage die Unternehmensführer den Fachkräftemangel als die größte künftige Bedrohung ihres Unternehmens. Der Kampf um die besten Köpfe wird härter.