Vom "!"-Management zur "?"-Leadership
Die Welt verändert sich - das Geschäft verändert sich - die Informationsbedarfe verändern sich - die Mitarbeitrer verändern sich - die Gesellschaften verändern sich. Die Führung verändert sich nicht? Viele Manager tun so, aber es ist wohl falsch, dies anzunehmen. So wird aus der Wissenschaft des intelligenten Ausrufezeichens die Kunst, die richtigen Fragezeichen zu setzen.
Wenn Druck machen nichts mehr hilft und die Mitarbeiter auf Grund ihres Spezialwissens mit offenem Humor auf Versuche reagieren, ihnen ein wenig Angst zu machen, dann wird es Zeit, über Verhaltensweisen und Leadershipkompetenzen nachzudenken. Die von außen an uns herangetragene Veränderungsgeschwindigkeit ist immens hoch – im notwendigen Detail versteht das Management ohnehin nicht, was da läuft und stört nur?! Ist Führung überflüssig? Bye-bye Managers? Aus dem Change "Top-Down" wurde "Bottom- Up" und nun "-" ein unnötiger Informationsschritt, der Zeit kostet und deshalb weg kann?
The Big Picture
Veränderungen haben drei Erscheinungsformen:
- Veränderung als Reaktion
- Veränderung als eigene Initiative
- Veränderung steuern (aus Punkt 1 wird Punkt 2)
Unser Problem ist aber, dass die Veränderung nicht so einfach daherkommt und sich artig vorstellt, sondern es ist oftmals völlig unklar, ob sie nützlich oder gefährlich ist. In welchem Zusammenhang steht sie eigentlich? Woran erkennt man sie eigentlich? - Das Gesamtbild ergibt sich nicht aus einem Umstand (z.B. Elektroauto), sondern aus der Kombination mit anderen Gebieten (z.B. Autos kommunizieren autark miteinander). Diese neuen Komplikationen überfordern bestehende Strukturen, Mitarbeiter und Führungskräfte, die auf ein Sachgebiet begrenzt werden. Wenn die Vernetzung fehlt, passieren Fehler, es fehlt die Beurteilungsfähigkeit, ob etwas gut oder schlecht ist (siehe jüngstes Beispiel VW).
Daraus folgt für Manager
ANFORDERUNG Nr.1: Führung muss die Dinge in einem größeren Zusammenhang sehen UND beurteilen können.
RADIKALE ZUSAMMENARBEIT
Schnelle Querinformationen sind erfolgskritisch. Allerdings kann man kaum erwarten, dass andere diese Informationen preisgeben, wenn sie nicht selber davon profitieren. Einbahnstraßen funktionieren nicht mehr, WIN WIN ist eine Notwendigkeit; gibt es keine Synergien, die das so unterstützen, sind die Arbeitsfelder vermutlich falsch angelegt.
RADIKALER VERBESSERUNGSWILLEN (KEIN DEFENSIVES VERHALTEN)
Alle Informationen wurden vermutlich unter der Maßgabe generiert, dass sie als richtig und nützlich gelten können bzw. etwas bewirken und voranbringen. Manager müssen herausfinden, unter welchen Umständen dies wirklich wahr ist; die Sichtweise verstehen, ohne dies mit VORURTEILEN zu bewerten. Andere Meinungen beruhen auf anderen Sichtweisen, die ggf neu sind und etwas enthalten können, was wichtig ist.
ZUHÖREN UND LERNEN
Das kennen wir schon seit Jahrzehnten, es ist aber für Manager dennoch sehr schwer, dem zu folgen. Es ist so schwer, weil die eigenen Ansichten und Absichten dann ständiger Prüfung unterliegen. Es ist wirklich anstrengend, stets für völlig Neues offen zu sein, was evtl. die eigene Position im Kern erschüttert. Sollen Manager nicht immer wissen, was sie als nächstes tun? Nein! Führungskräfte von morgen müssen dieser Versuchung widerstehen können.
Diese Forderungen klingen bereits in der Theorie ziemlich grenzwertig, die Umsetzung ist aber noch komplexer weil es bereits äußerst schwer ist, die Fakten sauber herauszuarbeiten und sie von den Emotionen, Wünschen und Bewertungen anderer zu trennen. Fakten verstecken sich hinter Wörtern, der Körpersprache, den nicht sichtbaren Zielen und Wünschen der Informationsquellen, und nicht zuletzt der eigenen Wirkung nach außen. Es erfordert einiges Training.
Das Ziel für Manager: Eine gemeinsame Wahrheit schaffen
Jeder hat seine eigene Wahrnehmungen, Sichtweisen und Erwartungen bzw. Ziele, die zu einer eigenen Interpretation der Wahrheit führt. Das ist unvermeidlich. Daraus folgt, dass ein gemeinsames Ziel und eine gemeinsame Anstrengung nichts ist, was man einfach so erwarten kann, weil man einen gemeinsamen Eingang in einen Raum nutzt oder von nur einem Konto bezahlt wird.
Eine gemeinsame Sichtweise erfordert insbesondere in einer komplexen Welt mit multiplen Abhängigkeiten eine Person, die diese Wahrheit und die Sichtweisen, Fakten und Zusammenhänge so verständlich und attraktiv aufbereitet, dass sich andere gern darauf einlassen um sich dafür zu engagieren. Das ist ein Job und der ist sehr komplex. Die Manager von morgen schaffen eine Wahrheit, die auch für andere einen Wert hat und attraktiv ist.
Daraus folgt für Manager
ANFORDERUNG Nr.2: Wahrhaftigkeit repräsentieren
SICH SEINER SELBST UND ANDERER BEWUSST SEIN
Führungskräfte hören auf, etwas vorauszusetzen und darauf ihr Vorgehen aufzubauen. Es ist gar nicht mehr ihre Aufgabe, das Vorgehen zu bestimmen. Sie müssen sich vor allem der Bedeutung der Fähigkeiten und Kompetenzen derer bewusst sein, die an dem Ziel mitarbeiten. Man begegnet sich auf Augenhöhe. Niemand erklärt dem anderen was er wie tun soll, sondern man diskutiert die Ziele: Der eine sorgt dann für die Erreichung, der andere für die dafür notwendigen Zulieferungen und Vernetzungen. Eine gewaltige Rollenveränderung!
DIFFERENZIERTE VERANTWORTUNG
Verantwortlichkeit setzt voraus, dass man auch beeinflussen und steuern kann.
PROZESSVERANTWORTUNG
Überträgt man dies auf diese Komplexität, ist man für seinen Einflussbereich und sein Tun und seine Entscheidungen verantwortlich. Sie endet an der Beurteilungsgrenze der Person, nicht automatisch an der Grenze im Prozess oder dem Sachgebiet.
ERGEBNISVERANTWORTUNG
Die Verantwortlichkeit der Führungskraft besteht darin, die Wahrheit zu repräsentieren, die Fakten und die Ziele richtig, stimmig und nachprüfbar aufzubereiten, so dass sich alle daran orientieren können. Die Führungskraft kann die sich daraus ergebenden Prozesse nicht bestimmen, aber im Rahmen der zur Verfügung gestellten Informationen wird der Prozess von anderen gesteuert.
ENTSCHEIDUNGEN
Jeder ist für die Entscheidungen verantwortlich, die er macht und machen kann. Die Führungskraft ist letztlich also für die Wahrheiten und Wahrhaftigkeit verantwortlich, nicht aber für das Ergebnis selbst. Damit das funktionieren kann, benötigen Führungskräfte von morgen viel mehr den Dialog mit dem Team. Von der Führungs- kraft wird verlangt, dass sehr gut kommuniziert, die richtigen Fachkompetenzen hinzuzieht, nicht aber anderen in ihren Entscheidungen vorgreift.
Mit Kreativität für den gemeinsamen Erfolg
Probleme oder Fehler sind per Definition „unerledigte Aufgaben bzw. unerwartete Schwierigkeiten“! Es nichts Schlimmes daran – sie müssen nur erledigt werden. In dieser neuen collaborativen Welt ist der Ansatz „Du hast es verursacht, also löse es!“ nicht mehr möglich. Man würde jemanden suchen, der für das Problem die bestmögliche Lösung findet und realisiert. Schuldzuweisungen und Anschuldigungen sind hier fremd und kontraproduktiv. Es würde keinen Sinn machen, denn wenn jemand mit hohem Engagement und Sachverstand arbeitet, sind Fehler und Probleme normale Ergebnisse, aus denen gelernt wird und die ein Teil dieses stetigen Wandels sind.
Daraus folgt für Manager
ANFORDERUNG Nr. 3: Transformations-Fähigkeit
Führungskräfte von morgen müssen an den Erfolg glauben. Wie oben bereits erwähnt, müssen sie vor allem eine attraktive Vision beschreiben, an die auch andere glauben und sich engagieren, Zeit aufwenden und sich selbst auch für Wandel und Veränderung öffnen und eigene Kreativität einbringen. Es gibt so viele negative Energien und Sichtweisen, dass es oft sehr schwer ist, sich von all dem für ein eigenes Urteil freizumachen. Führungskräfte von morgen müssen die positiven Seiten herausarbeiten um auch für pessimistische Menschen Hoffnung, Perspektive und Raum für persönlichen Erfolg zu bieten.
POSITIVISMUS
Sofern man nicht klar erkennt, dass jemand etwas boykottiert oder zerstört, sind Führungskräfte gut beraten, sich die Hintergründe und Motive einer Meinung oder Handlungsweise anzusehen. Es gilt, die Motive und Hintergründe zu verstehen. Das geht nur in einer positiven Umgebung. Kreativität wird am besten durch Gegensätze und Unterschiede gefördert. Wenn man sich vorstellen kann und darf, dass die gegensätzlichsten Sichtweisen und Argumente gleichberechtigt ausdiskutiert werden können, entsteht Agilität, gegenseitiger Respekt und eine lernende Organisation.
Die eigene SPRACHE UND GEDANKENWELT kontrollieren
Sprache bestimmt unsere Gedanken und formt unsere Meinungen, das, was wir glauben und wie wir es anderen präsentieren. Wie wir Fakten bewerten spiegelt sich schon in der Art, wie wir uns Dinge merken. Es wird unsere Entscheidungen beeinflussen. Sich Dinge in einem positiven Zusammenhang zu merken, wird tendenziell Handlungsoptionen erweitern und umgekehrt. Es hilft sehr, negative Adjektive und Bewertungen ganz bewusst zu entfernen. Auch das ist eine Kompetenz, die geübt werden will, um die eigenen Handlungsspielräume zu erweitern. Über diese Transformation entsteht für jede Führungskraft auch durch aktives Feedback im Team ein stark erweiterter Lösungsraum für alle Probleme.
Führen mit Fragen statt mit Ausrufezeichen
Früher war Führung die Wissenschaft des Ausrufezeichens, heute wird sie zu Wissenschaft des Fragezeichens. Führungspersönlichkeiten, die signalisieren, dass sie alles wissen, werden massive Nachteile gegenüber denen haben, die sich in jeder Situation für Neues öffnen. Im Deutschen haben wir allein 44 Wörter, die eine Frage signalisieren. Das ist mehr als in den meisten anderen – es wird zu wenig genutzt. Wer fragt, öffnet sich und seine Gesprächspartner in ganz anderem Maß für die sachliche Auseinandersetzung, als mit einer Aussage oder gar Aufforderung, die bei vielen zunächst ein „Warum denn“ und vielleicht sogar defensives Verhalten auslöst.
Transformationsvermögen führt dazu, dass Führungskräfte ihre eigene Wirkung stets ins Positive lenken. Fragen haben nichts mit Unkenntnis zu tun, wohl aber mit mit Offenheit, Neugier und Veränderungswillen. Führungskräfte von morgen erwerben so die Fähigkeit zur wahren strategischen Beurteilung von Wandel unter dem Gesichtspunkt der Chancennutzung und nicht der Problemvermeidung. Sich in positiver Weise einem scheinbar abstrusen Gedanken zu nähern bedeutet ja nicht, dass man sich diese Meinung zu eigen macht, sondern es führt zu einer Erweiterung der Bewertungsbasis. Führungskräfte müssen dann dankbar sein, etwas gefunden zu haben, mit dem sich Ihre Ziele, die Attraktivität und die Wahrheit noch klarer belegen lässt.
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