Familienunternehmen – eine strategische Herausforderung?!
Warum sind viele Familienunternehmen über Generationen hinweg erfolgreich? Warum können sie schwierige wirtschaftliche Situationen und technologischen Wandel besser wegstecken als andere Unternehmensformen? In diesem Beitrag gehen wir der Frage auf den Grund, worauf sich diese Anpassungsfähigkeit begründet.
Einer der Gründe ist ihre möglicherweise effektive und über Generationen hinweg gelernte Diskussions- und Entscheidungskultur. Diese bezieht sich nicht nur auf operative Managemententscheidungen in Familienunternehmen, sondern manifestiert sich ebenso in den Diskussionen, die die Unternehmerfamilie als Gesellschafter oder auch als aktiver Teil der Unternehmerfamilie führen. Wer von Kindheit an immer wieder unternehmerisch geprägte Diskussionen und darauf aufbauende Entscheidungen und Veränderungen erlebt hat, hat keine Scheu vor kontroversen Themen und vor Wandel.
Außerdem möchte die nachfolgende Generation nützlich sein, „anstatt nur Geld zu verdienen“. Die Voraussetzung dafür ist, dass Unternehmerfamilien auf der Basis eines gemeinsamen Wertegerüstes ihre Kontroversen austragen, wenn keine Spuren zurückbleiben sollen. Langfristiger Erfolg in Familienunternehmen erfordert also ein Leitbild, das nicht nur für die nächsten 5 Jahre Gültigkeit hat. Es erfordert eher eine familiäre Mission, mit den unternehmerischen Aktivitäten die „Welt ein Stück besser“ machen zu wollen – was immer „besser“ im Einzelfall auch heißt. Es ist also oftmals ein generationenübergreifender Motor für weitreichende unternehmerische Aktivitäten. Wenn dazu eine unternehmerische Vision kommt, die auf einem zukunftsfähigen Geschäftsmodell fußt, dann ist das schon der Teil des „Geheimnis der Familienunternehmen“; der vorwiegend in der Sphäre der Unternehmerfamilie liegt – sei sie am operativen Geschäft beteiligt oder „nur“ Gesellschafter.
Schließlich halten sie interne Strukturen so einfach wie möglich und treten am Markt konzentriert (spitz statt breit) auf. Dieses Leitbild muss also in einer klar definierten Strategie auf die wirtschaftliche Praxis heruntergebrochen werden, in dem Wertschöpfung und Marktbearbeitung danach ausgerichtet werden. Diese sind in konkrete (smarte) Ziele zu übersetzen und mit Maßnahmen zu hinterlegen, die das Management – sei es familienintern oder extern – dann umsetzen kann. Zu guter Letzt besteht noch die Voraussetzung, dass im Unternehmen die erforderliche Transparenz und Durchsetzungskraft für Veränderungen besteht. Wenn die Mitarbeiter nicht wissen, welche Strategie hinter den Anordnungen des Managements steht, auf welchen Wertvorgaben der Unternehmerfamilie notwendige Änderungen basieren, ist der Mensch halt ein Gewohnheitstier und risikoavers. Getreu nach dem kölschen Sprichwort: “ Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet!“
Wie kann man einen solchen Strategieprozess angehen? Die nachfolgende Graphik visualisiert den Entwicklungsprozess in Form von Kernfragen:
Teil 1: Die Grundlagen der strategischen Analyse sind das Leitbild und das Geschäftsmodell
Unter einem „Leitbild“ werden grundlegende Identitäts-, Ziel- und Werteaussagen eines Unternehmens zusammengefasst, mit denen seine Eigenheit, seine Unverwechselbarkeit und seine Bestimmung umschrieben wird. Es bildet den normativen Rahmen, auf dessen Basis es als Unternehmen agieren will und zu dem es seine Mitarbeiter verpflichten möchte. Das Leitbild prägt also nach innen die Unternehmensidentität und nach außen das Unternehmensimage. Es besteht aus drei Elementen: den handlungsprägenden Leitgedanken (Werten), der unternehmerischen Vision und der Mission, also dem Sinn und Nutzen des Handelns. Die Kernaussagen des Leitbilds können z. B. in einer Familienverfassung formuliert werden.
Das „Geschäftsmodell“ enthält alle Grundsatzentscheidungen, auf deren Basis sich das Unternehmen in die gewählte strategische Richtung zu einem „anders sein“ entwickeln will. Es enthält den „strategischen Kern“ mit der Festlegung der gewollten Kunden-Produkt-Beziehung, dem zentralen Leistungsangebot, den Zielkunden und den Zielmärkten. Es kann mit einer Business Modell Canvas visualisiert werden. Hierzu gibt es verschiedene Darstellungen z. B. für junge, projektorientierte oder auch etablierte Unternehmen.
Das Geschäftsmodell muss regelmäßig in Form einer strategischen Analyse hinterfragt werden. Hierzu eignet sich z. B. die bekannte SWOT-Analyse. Hier werden die spezifischen Stärken (Strengths) und Schwächen (Weaknesses) des Unternehmens analysiert und den Geschäftsmöglichkeiten (Opportunities) und Wettbewerbsgefahren (Threats) gegenübergestellt. Es handelt sich also um eine interne und externe Analyse, die einen genauen Aufschluss über die strategische Positionierung vermittelt. Für Familienunternehmen ist eine weitere Dimension zu ergänzen: die „Family Business-SWOT“ zeigt neben den Stärken und Schwächen des Unternehmens und den Chancen und Risiken aus dem Marktumfeld auch die Potenziale und Lasten der Familie (capabilitiy and burden) auf. Unfähige Gesellschafter, Streitigkeiten und ungezügeltes Entnahmeverhalten sind Belastungen, die in einem Nichtfamilienunternehmen kaum relevant sind, in Familienunternehmen hingegen oftmals entscheidend für den (Miss-)Erfolg. Die FB-SWOT zeigt also im Überblick die beiden wesentlichen externen Einflussfaktoren auf das Unternehmen – die aus dem Markt kommenden und die aus dem Gesellschafterkreis resultierenden – auf einen Blick. Oftmals wird den Beteiligten damit erstmalig bewusst, dass nicht klar an das Management und die Mitarbeiter kommuniziert wird, was die Familie mit dem Unternehmen will, welche Potenziale in der Familie noch schlummern und welche Lasten sie aber auch dem Unternehmen aufbürden.
Teil 2: Auf Basis der strategischen Analyse sind die vier Basisstrategien zu entwickeln
Zunächst muss über das angestrebte Wachstum des Unternehmens entschieden werden. Familiäre Wachstumserfordernisse, Mindestabnahmemengen oder die zunehmende Globalisierung geben mitunter eine Mindestgröße vor. In der Praxis finden sich viele Beispiele dafür, dass Familienunternehmen die Strategie der Marktdurchdringung verfolgen. Dies ist dadurch zu erklären, dass insbesondere etablierte Familienunternehmen sich stagnierenden Märkten, intensiviertem Wettbewerb und Technologieumbrüchen ausgesetzt sehen.
Die nächste Frage betrifft die Rendite, die die Gesellschafter erzielen wollen und ob diese überhaupt aus dem Unternehmen heraus leistbar ist: Kapitalrendite ist nicht Umsatzrendite – das wird oftmals verwechselt. Eine Make-or-buy Entscheidung ist gerade in durch Ressourcenknappheit gezeichneten Wachstumsphasen zentral.
Die dritte Strategie ist die Risikostrategie. Wer keine Risiken eingeht, ergreift auch keine Chancen. Wie ein Familienunternehmen mit seinen Risiken umgeht und welche Risiken die Unternehmerfamilie mit ihrem Kapital tragen will, ist hingegen eine strategische Entscheidung, die eine professionelle Unternehmerfamilie treffen muss. Denn nur auf dieser Basis kann das Management unternehmerische Entscheidungen beurteilen.
Die vierte Strategie betrifft die nichtökonomisch geprägten Ziele der Unternehmerfamilie: viele Familienunternehmen verstehen sich als Teil der regionalen, mitunter globalen Gemeinschaft und wollen einen Beitrag leisten für eine lebenswerte Zukunft! Durch die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung können sie soziale und ökologische Innovation für eine nachhaltige Gestaltung der Welt vorantreiben. Oftmals laufen diese Aktivitäten jedoch unstrukturiert und unabgestimmt ab. Einzelne Gesellschafter agieren nach persönlichen Wünschen oder akuten Missständen und ohne strategische Abstimmung. Dabei sollte im Rahmen des Strategieprozesses hinterfragt werden:
- Welche Anknüpfungspunkte haben wir als Unternehmen mit Blick auf unser Leitbild?
- Welchen Beitrag können wir im Rahmen unserer Möglichkeiten leisten?
- Wo leisten wir bereits einen Beitrag?
- Wo ergeben sich Chancen für unsere unternehmerische Weiterentwicklung?
Teil 3: Der Erfolg einer Strategie zeigt sich immer erst nach deren Umsetzung
Wenn Planung an sich schon für viele Familienunternehmen untypisch ist, gilt das ebenso für die systematische Umsetzung. Operative Maßnahmen sind oftmals nicht auf die Erreichung der strategischen Ziele abgestimmt. Mitunter konkurrieren sie sogar miteinander um die ohnehin meist knappen Ressourcen und die Anerkennung beim Topmanagement.
Der Family Business Maßnahmen und Aktionenplan (FB-MAP) ist ein praxiserprobtes Tool, um strategische Entscheidungen im Unternehmen umzusetzen. Er benutzt ähnlich einer Balanced Scorecard verschiedene Dimensionen wie Finanzen, Kunden, Prozesse oder auch die Unternehmerfamilie, um die angestrebten strategischen Ziele mit „strategischen Maßnahmen“ zu konkretisieren. Für jedes strategische Ziel müssen dafür Maßnahmenpläne erarbeitet werden, Budgets und ein Zeitrahmen festgelegt, die Verantwortlichen bestimmt und der Fortschritt bei der Umsetzung dokumentiert werden.
Höchst umsetzungsrelevant ist die Leistungsfähigkeit der Organisation und das funktionelle und menschliche Zusammenspiel der im Unternehmen handelnden Personen. Werteorientierte Unternehmensführung kann nur funktionieren, wenn man die Menschen (alle) mitnimmt.
Familienunternehmen haben dafür hervorragende Voraussetzungen, wenn sie sich dieser Stärke bewusstwerden und sie systematisch und in einem professionellen Strategieprozess nutzen.