Außerordentliche Kündigung wegen übler Nachrede per WhatsApp möglich
Verbreiten Arbeitnehmer eine unzutreffende Behauptung über einen Vorgesetzten oder Kollegen im Rahmen von WhatsApp an einen Kollegen, kann dies im Einzelfall eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.3.2019 – 17 Sa 52/18).
Das LAG Baden-Württemberg entscheidet erneut im Zusammenhang mit modernen Kommunikationsmitteln. Erst Mitte 2016 hat das LAG Baden-Württemberg sich mit Beleidigungen eines Arbeitnehmers mittels sogenannter Emoticons bei Facebook beschäftigt. Auch hier prüfte das Gericht, ob die durch den Arbeitgeber ausgesprochene außerordentliche Kündigung wirksam war.
Eine Straftat ist grundsätzlich ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung.
Die Arbeitnehmerin behauptete per WhatsApp gegenüber einer Kollegin, der Arbeitgeber sei ein verurteilter Vergewaltiger. Sie nahm dabei in Kauf, eine unzutreffende Behauptung zu verbreiten. Die Behauptung war auch geeignet, den Ruf des Arbeitgebers zu schädigen und ihn verächtlich zu machen und in seiner Ehre zu verletzen. Die Weitergabe der Tatsachen an nur eine weitere Person – auch via WhatsApp – reicht. Daher beging die Mitarbeiterin eine Straftat in Form der üblen Nachrede. Dies stellt einen Grund dar, der „an sich“ geeignet ist eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Interessenabwägung maßgeblich.
Ist ein Grund „an sich“ dazu geeignet eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, nehmen Arbeitsgerichte in einem zweiten Schritt eine Interessenabwägung vor. Es kommt dabei auf alle Umstände des Einzelfalls an. So hatte das BAG beispielsweise im Jahr 2009 zu Gunsten eines Arbeitnehmers berücksichtigt, dass die Beleidigung in einem vertraulichen Gespräch unter Kollegen über einen nicht anwesenden Dritten getätigt wurde (BAG, Urteil vom 10.12.2009 – 2 AZR 534/08). Die Vertraulichkeit kann bei der Interessenabwägung daher durchaus zu Gunsten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden.
LAG Baden-Württemberg: Abwägung zu Gunsten des Arbeitgebers.
In diesem Einzelfall überwiegte jedoch das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, da ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht – auch nicht bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist – zumutbar war. Zu Lasten der Arbeitnehmerin wertete das Gericht, dass es sich um eine äußerst gravierende Beschuldigung handelt und das Arbeitsverhältnis erst kurze Zeit bestand. Die Berücksichtigung der Vertraulichkeit des Gesprächs greife hier auch nicht, da die Kollegin aufgrund des Vorwurfs der Vergewaltigung ihrem Chef gegenüber in einen Gewissenskonflikt geriet.
Keine Abmahnung erforderlich.
Völlig zutreffend hat das LAG Baden-Württemberg auch herausgearbeitet, dass es wegen der Schwere der Vorwürfe keiner Abmahnung bedurfte. Die Arbeitnehmerin konnte nicht davon ausgehen, dass der Arbeitgeber die Behauptung, er sei ein verurteilter Vergewaltiger hinnehme.
Außerordentliche, fristlose Kündigung bei Straftaten
Wer eine Straftat begeht, muss mit einer fristlosen Kündigung rechnen. Dies gilt auch bei Äußerungen in einem vertraulichen Gespräch. Bei der Interessenabwägung muss auf den konkreten Einzelfall abgestellt werden, wobei die Zumutbarkeit der ehrverletzenden und rufschädigenden Tatsache für den Geschädigten eine große Rolle spielt.
Kein rechtsfreier Raum in Social Media.
Kommunikation findet vermehrt über Social Media, Messenger-Dienste etc. statt und ist aus dem Alltag kaum mehr wegzudenken. Hier dürfen keine Sonderregeln zu Gunsten der Arbeitnehmer gelten. Ansonsten entstünde als Folge nämlich ein privilegierter, rechtsfreier Raum.
Hilfsweise ordentliche Kündigung.
Arbeitgeber sollten zwingend daran denken, zusätzlich zu der außerordentlichen Kündigung hilfsweise eine ordentliche Kündigung auszusprechen. Andernfalls prüft das Arbeitsgericht „nur“, ob die äußerst hohen Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung erfüllt sind und nicht, ob der Verstoß des Arbeitnehmers für eine ordentliche Kündigung ausgereicht hätte.