Restrukturierung - Ein Überblick über das Beratungsfeld
Ein Beschaffungsproblem allein macht noch keine Krise, absehbare Liquiditätsengpässe gefährden dagegen immer den Fortbestand des Unternehmens und die Arbeitsplätze! Als Krisengründe kommen externe Faktoren wie ein plötzlicher Konjunktureinbruch infrage, zumeist sind Krisen aber hausgemacht und auf interne Managementfehler zurückzuführen. Hier setzt die Restrukturierungsberatung an. Welchen fachlichen Hintergrund und welche Kompetenzen sollte man mitbringen, wenn man in diesem Feld einsteigen möchte?
Pleiten, Pech und Pannen gehören zum Leben dazu. Auch in der Wirtschaft geraten Unternehmen in existenzbedrohende Krisen, die ein schnelles und zielgerichtetes Handeln erfordern. Dabei ist fast immer externe Expertise gefragt, da Unternehmen für diese Sondersituationen selten interne Kompetenzen und Strukturen vorhalten. Die Restrukturierungsberatung zielt auf die Rettung und nachhaltige Gesundung des Unternehmens ab. Restrukturierung umfasst dabei einerseits die finanzielle und leistungswirtschaftliche Sanierung, andererseits die organisatorische und strategische Neupositionierung. Die Einrichtung von Krisenfrühwarnsystemen zählt genauso dazu, spielt aber eine untergeordnete Rolle. Restrukturierungsberater:innen sind Intensivmediziner:innen. Ist der Patient über die kritische Phase hinweg und stabilisiert, ist ihr Job größtenteils getan. Restrukturierungsberatung findet zunehmend auch in gerichtlich überwachten Sanierungs- und Insolvenzverfahren Anwendung.
Aufgabenfelder und Herangehensweise
Ausgangspunkt jeder Restrukturierung ist die Feststellung des Krisenausmaßes und der Krisenursachen. Ein Beschaffungsproblem allein macht noch keine Krise, absehbare Liquiditätsengpässe gefährden dagegen immer den Fortbestand des Unternehmens und die Arbeitsplätze! Als Krisengründe kommen externe Faktoren wie ein plötzlicher Konjunktureinbruch infrage, zumeist sind Krisen aber hausgemacht und auf interne Managementfehler zurückzuführen. Zur umfangreichen Analyse der Ausgangssituation gehört die Überprüfung etwaiger Insolvenztatbestände, also (drohende) Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Bevor die eigentliche Restrukturierung beginnt, muss das Unternehmen durchfinanziert sein. Hierfür geben Liquiditätsplanung und ein Restrukturierungskonzept die Richtung vor. In solch einem Konzept oder auch Sanierungsgutachten wird das Leitbild der Restrukturierung erarbeitet. Wie sieht das Geschäftsmodell zukünftig aus? Wie können nachhaltig wieder Rendite- und Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden? Zudem geht es um die Identifikation geeigneter Maßnahmen, um die Krisenursachen zu beseitigen und die im Leitbild formulierten Ziele zu erreichen. Wer leistet welche Beiträge, und was ist konkret von wem bis wann zu tun? Damit die Umsetzung gelingt, wird oft eine externe Beraterin bzw. ein externer Berater als CRO (Chief Restructuring Officer) ins Organ der Gesellschaft berufen. Auf jeden Fall ist die enge Begleitung der Umsetzung und ein Sanierungs-Controlling nebst Reporting notwendig.
Unterschiede zu anderen Beratungsfeldern
Restrukturierungskompetenzen sind praxisnah, branchenübergreifend und immer ganzheitlich. Sie unterscheiden sich damit von anderen Beratungsfeldern. Die von Berater:innen erarbeiteten Konzepte und Planungen verändern unmittelbar die Praxis ihrer Mandanten. Erfolge und Misserfolge stellen sich schnell ein. Damit steigen Verantwortung und auch Haftungsfolgen für die Beratungshäuser. Wer Mandanten auf Top-Level ganzheitlich und in kritischen Sondersituationen unter hohem Zeitdruck berät, sollte wissen, wie man vorgeht und wo die Risiken liegen. Einerseits gibt es Standards und Leitfäden verschiedener Verbände und Berufsgruppen, prominentes Beispiel ist der IDW S 6 zur Erstellung von Sanierungsgutachten. Andererseits etablierte sich eine seit Jahren bewährte Rechtsprechungspraxis des BGH. Diese betrifft unter anderem Fragen, ab wann Insolvenzantragspflichten einsetzen, bis wann Kredite insolvenzfest besichert werden dürfen oder was die Voraussetzungen für bestimmte Sanierungsvorhaben sind. Restrukturierungsberater:innen arbeiten branchenübergreifend. Branchenspezifika spielen eine Rolle, sie setzen den Rahmen und manchmal beschränken sie auch den Handlungsspielraum. Mal geht es um einen Automobilzulieferer, ein E-Commerce-Start-up oder ein Krankenhaus. Das ist zugleich das Spannende, Herausfordernde und Anspruchsvolle für Restrukturierer:innen.
Inhalt und Anforderungen der Ausbildung
Kern der Ausbildung ist daher die Aneignung von Phasenkompetenz. Nach zwei bis drei Jahren Berufserfahrung wissen Berater:innen, was in der existenziellen Unternehmenskrise zu tun ist. Was gehört in ein Sanierungsgutachten? Wie setzt man einen Distressed-M&A-Prozess auf? Wie funktioniert ein Eigenverwaltungsverfahren, welche betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Besonderheiten gilt es zu beachten? Wie überzeugt man die verschiedenen Stakeholder? Die Lernkurve ist steil und flacht
kaum ab. Immer wieder müssen neue Gesetze (z.B. StaRUG-Novelle, Covid-Gesetze) und ökonomische Rahmenbedingungen (z.B. Wegfall der Subventionen in der Solarindustrie, notleidende Mittelstandsanleihen) beachtet und Wissen auf neue Kontexte übertragen werden.
Restrukturierungsberatung ist Teamplay. Die Größe der Projektteams korreliert dabei oft mit der Größe der Beratungsgesellschaft. Bei einer mittelständischen Beratungsboutique verteilen sich die Projektaufgaben oftmals auf nicht mehr als drei Schultern. Als Consultant arbeitet man dann sofort an vorderster Stelle, ist also für den gesamten Prozess mitverantwortlich. Bei den großen Beratungshäusern erfolgt Ausbildung und Einsatz viel spezialisierter, mitunter fehlt der Blick fürs Ganze. Dafür können die prominenteren Mandate und auch internationale Reisetätigkeiten Anreize bieten. War Restrukturierungsberatung bis vor zehn Jahren noch eine Männerdomäne, ändert sich das seither. Mobiles Arbeiten, die Sensibilisierung für Work-Life-Balance und die Herausforderungen des HR-Recruitments haben für „Alltagskompatibilität“ gesorgt. Restrukturierungsberatung eignet sich für Hochschulabsolvent:innen mit wirtschaftlichem, technischem oder juristischem Studium. Grundlegende BWL-Kenntnisse sind in jedem Fall notwendig. Wer Unternehmen in Notsituationen retten will, sollte zudem ein gesundes Maß an Mobilität, Flexibilität und Belastbarkeit mitbringen.
Der Text ist ein Auszug aus dem Buch "Perspektive Unternehmensberatung 2023" von e-fellows, verfasst von einem BDU-Mitglied aus dem Fachverband Sanierung- und Insolvenzverwaltung.