Strategie und Innovation

„Das können Sie nicht messen!“ – Wirklich nicht?

Ist es nicht auffällig? Immer dann, wenn es darum geht, nicht-monetäre Resultate zu messen, ergehen sich Arbeitsgruppen, Projektteams, ja ganze Organisationen regelhaft in einem erheblichen Wehklagen darüber, dass dies schlicht nicht möglich und überdies unnötig sei.

Der Start eines neuen Veränderungsprojektes und dessen Geschwindigkeit auf dem Weg zur Realisierung der Projektziele? Nicht messbar. Die Marketing-Leistungen? Nicht messbar, selbstverständlich nicht. Ein höheres Niveau an Leidenschaft, eine gestiegene Mitarbeitermotivation von innen heraus? Messung unmöglich. Der Effekt einer neuen Herangehensweise an Kunden im Vertrieb? Messung möglich, aber außerordentlich schwierig, weil nicht überschneidungsfrei.

 

Meist handelt es sich bei dem Wehklagen über die Schwierigkeit, etwas eigentlich nicht Messbares zu messen um eine Ausflucht. Bestenfalls handelt es sich um die Äußerung des Unvermögens der Mitarbeiter, sich auf konkrete Messverfahren und Messgrößen zu einigen, die sich außerhalb des in Zahlen ausgedrückten Resultats der Geschäftstätigkeit darstellen. Kein Wunder, denn weder wird es gelehrt, noch wird es hinreichend häufig verlangt, auch qualitative Resultate messbar zu machen.

 

In diesem Beitrag geht es nicht darum, ein Plädoyer dafür zu halten, alles zu messen, jegliche Tätigkeit, jeglichen Fortschritt in Einzelteile zu zerlegen und krampfhaft den Versuch zu unternehmen, irgendetwas zu messen. Es geht aber sehr wohl darum, mit der Annahme aufzuräumen, man könne sich auf das Messen der wirtschaftlichen Resultate reduzieren, um den Erfolg, das Wachstum in einem Unternehmen besser fassbar zu machen.

 

Beispiel 1: der Start eines umfassenden Veränderungsprojektes

Nehmen wir einmal an, ein Unternehmen hat ein Wachstumsprojekt, dass immer auch einen erheblichen Veränderungsprozess mit sich bringt, ins Leben gerufen und möchte feststellen, ob dieses Projekt auf der Spur ist, oder nicht – schließlich werden sich die angestrebten wirtschaftlichen Resultate oft erst nach Abschluss des Projektes vollständig einstellen. Erst müssen schließlich erst die Maßnahmen greifen, die zu dem angestrebten Wachstum führen sollen. Eine Messgröße, die wir regelhaft in Wachstumsprojekten anwenden, ist die Anzahl der Mitarbeiter, die sich den im Projekt beschlossenen, neuen Verfahrensweisen verpflichtet fühlt und sich diesen Verfahrensweisen gemäß verhält. Reduziert sich zu Beginn eines Wachstumsprojektes die Anzahl dieser Mitarbeiter zunächst noch auf das Projektteam, tragen wir stets dafür Sorge, dass die Multiplikationskaskade möglichst schnell greift und sich viele Mitarbeiter mit den neuen Verfahren und Methoden vertraut machen, so dass ebenfalls viele Mitarbeiter möglichst schnell diese neuen Verfahren und Methoden leben. Ist dadurch bereits der Erfolg der Maßnahme gewährleistet? Nein, aber die Grundbedingung, die darin besteht, dass neue Verfahren und Methoden zunächst einmal angewendet werden, bevor sie ihre Wirkung entfalten, ist mit zunehmender Beteiligungszahl erfüllt. Dies kann man sehr wohl messen.

 

Beispiel 2: höhere Mitarbeitermotivation

Sie wissen, dass ich der festen Überzeugung bin, dass Mitarbeiter nicht von außen dauerhaft motiviert werden können und dass Führungskräfte sich diese Pflicht gar nicht erst auferlegen müssen. Sehr wohl müssen sich Führungskräfte aber die Pflicht auferlegen, einen Rahmen dafür zu schaffen, dass die eingestellten, motivierten Mitarbeiter auch motiviert bleiben. Mitunter ist es erforderlich, diesen Rahmen zu verändern, wenn ein Unternehmen feststellt, dass überwiegend „Dienst nach Vorschrift“ stattfindet und das Motivationsniveau gefühlt sinkt. Hier sind einige Messgrößen, die geeignet sind, das Motivation-und Leidenschaft Niveau zumindest erkennbar zu machen, sagen wir ruhig, es zu messen: freiwillige Übernahme von Verantwortung in Projekten, geringerer Krankenstand, geringere ungewollte Fluktuation, Attraktivität des Unternehmens für Bewerber, gemessen an Eingang der qualifizierten Bewerbungen, Einbringen eigener Ideen durch die Mitarbeiter bei steigender Qualität dieser Ideen und steigender Relevanz für den unternehmerischen Kontext, Reaktion der Mitarbeiter auf eingetretene erfreuliche oder unerfreuliche Ereignisse. Sie finden sicher weitere Messgrößen, aber niemand möge mir sagen, Motivation sei nicht messbar.

 

Beispiel 3: Vertriebsinitiative

Natürlich ist das Ziel einer Vertriebsinitiative, dass sich die wirtschaftlichen Zahlen verbessern. Dennoch handelt es sich auch hier um ein zeitversetztes Resultat, dessen Messung gegebenenfalls erst spät erfolgen kann. Sie sind also gut beraten, die Veränderungen im Vertrieb, die zu den besseren wirtschaftlichen Resultaten führen sollen, zu messen: wie ändert sich das Herangehen des Vertriebs an Kunden bzw. Kundengruppen? Wird hier strukturierter gearbeitet? Oder verbleibt man bei der abgegriffenen ABC-Analyse? Wie ändern sich die Kundengespräche im Zeitverlauf? Verbleiben sie auf dem ursprünglichen Niveau oder erfahren sie eine neue Qualität? Wie geht der Vertrieb – der nicht selten als Silo-Organisation im Unternehmen agiert – mit seinen Schnittstellenpartnern um? Worüber spricht der Vertrieb insbesondere mit dem Marketing, dem Controlling, der Entwicklungsabteilung? Erfahren die diesbezüglichen Meetings eine höhere Qualität? Werden Beschlüsse schneller umgesetzt? Erfolgen Rückkopplungen aus gestarteten Aktionen zügiger und werden die Ergebnisse schneller ausgewertet, so dass sie dem Vertrieb zur weiteren Arbeit schneller zur Verfügung stehen, als in der Vergangenheit?

 

Sie werden Ihre eigenen Erfahrungen damit gemacht haben, welcher Überzeugungsarbeit es bedarf, um vermeintlich nicht Messbares messbar zu machen und die oben angegebenen Indikatoren sind nur eine mögliche Auswahl. Viel wichtiger ist es, vermeintlich nicht Messbares im Dialog mit den Beteiligten in Messgrößen zu fassen, auf die sich jene Beteiligten auch verpflichten. Das reine Vorgeben dieser Messgrößen ist wenig hilfreich, können sie doch im Tagesgeschäft und auch im Projektgeschäft umgangen werden, ohne dass dies rechtzeitig genug bemerkt würde. Das Verabreden der Messgrößen ist bereits ein Prozess der Umsetzung des Erfassens qualitativer Aspekte. Dies ist auch einer der Gründe dafür, dass wir mit unseren Klienten vor dem Start eines jeden Wachstumsprojektes nicht nur darüber sprechen, welche wirtschaftlichen Resultate mit der Wachstumsinitiative, die ja ein erhebliches Investment an Zeit und Geld bedeutet, erzielt werden sollen, sondern auch darüber sprechen, welche qualitativen Resultate die Initiative mit sich bringen soll und auf welche Weise diese qualitativen Resultate gemessen werden können. Bereits dieser Dialog führt zu einer erheblichen Klarheit, die unserer Erfahrung nach in den Projektteams, die wir betreuen, meist sehr fundiert vertieft wird.

 

Muss man also alles messen? Natürlich nicht, aber der Aufwand, vermeintlich nicht Messbares greifbarer zu machen, ist gemessen an dem Zeit- und Geldverlust, der eintritt, wenn man an dieser Stelle Ausflüchte sucht, mehr als gerechtfertigt.