Veränderungsmanagement

Kann Feedback die Unternehmenskultur auch negativ beeinflussen?

Anhand eines aktuellen Beispiels aus der Praxis wird geschildert, wie sich ein Unternehmen durch den suboptimalen Einsatz von Feedback eine Unternehmenskultur schafft, die dem Erreichen der Unternehmensziele eher schadet, denn nützt.

 

‚Feedback’ bedeutet Rückmeldung. Die Umsetzung in der betrieblichen Praxis kann grob unterschieden werden in:

Entwicklungsfeedback zur Unterstützung von Lern- und Veränderungsprozessen (= die Ursprungsidee von Feedbackprozessen)

  • „Sie haben sich so und so verhalten – das hat folgende Reaktionen ausgelöst – in mir oder bei anderen. Sie können nun entscheiden, ob und was Sie mit meinem Feedback anfangen wollen.“


Feedback von der Führungskraft an den Mitarbeiter

  • „Das Problem haben Sie klasse gelöst!“ oder „Sie haben sich so und so verhalten – das machen wir hier im allgemeinen aus folgenden Gründen anders.“ oder „Ihr mehrmaliges Zuspätkommen werde ich in Zukunft nicht mehr tolerieren“.
  • „Wenn Sie sich auf dem Gebiet X und Y weiterentwickeln, dann steht in zwei Jahren einer Beförderung nichts mehr im Wege“.
  • „Auf Basis Ihrer Leistungen im letzten Jahr ist Ihre Zielerreichung 105 %“.

 

Diese Aussage läuft in der Praxis oft unter der Bezeichnung ‚Leistungs-Feedback’, ist in letzter Konsequenz aber eine Beurteilung – was der ursprünglichen Feedback-Idee widerspricht.


Nun aber zu unserem Praxisbeispiel:

Es geht um das deutsche Headquarter einer europäischen Firma, die u. a. auch Niederlassungen in UK, USA, Australien und China hat. Das Managementteam der deutschen Niederlassung versucht, eine Unternehmenskultur durchzusetzen, in der jeder Mitarbeiter jedem Mitarbeiter Feedback zu geben hat, und zwar quasi jederzeit! Das führt dann zu solchen Situationen wie „Frau Müller, Sie haben ja Herrn Meyer noch gar kein Feedback gegeben!“ – dass Frau Müller es aber für unangemessen hält, gleich in den ersten Wochen nach Firmeneintritt einem Kollegen, der 25 Jahre älter und schon lange in der Firma erfolgreich tätig ist, ein Feedback zu geben, darf in dieser Firma nicht angesprochen werden.


Oder: „Ich bewerte Ihre Teamfähigkeit als ausbaufähig, Sie geben nicht oft genug Feedback!“. Die Reflexion dieses Vorgehens auf der Metaebene – „Wie wirksam und nützlich ist eigentlich unsere Art des Feedbackgebens?“ – ist in der Organisation nicht gewollt und wird aktiv unterbunden.


Die Folge davon ist, dass die Fluktuation der High Performer und High Potentials hoch ist und das Rating in den einschlägigen Unternehmensbewertungsportalen weit unter dem Durchschnitt liegt.

Kommentar aus Sicht der Organisationsentwicklung:
In diesem Unternehmen ist unter der möglicherweise positiven Absicht der Etablierung einer ‚Feedbackkultur’ letztlich eine Kontrollkultur entstanden. Die Folgen davon kosten die Firma eine Menge Geld (überdurchschnittliche Fluktuation) und schwächen die Innovationskraft (die Besten gehen bzw. bewerben sich erst gar nicht und es entstehen Ressourcen-Verluste durch Frustrationserlebnisse).

Besonders bedenkenswert ist, dass wir hier über eine Organisation diskutieren, deren Kultur es nicht zulässt, über die Wirksamkeit und den Nutzen von praktizierten Mustern im Management-Verhalten zu reflektieren und daraus ggf. entsprechende Veränderungen abzuleiten.

Würde die Geschäftsführung auf die Idee kommen, hier im Sinne einer Organisationsentwicklung einen Veränderungsprozess zu gestalten, ginge es darum, die Organisation ‚mit sich selbst bekannt zu machen‘, d.h. mit den Beteiligten zu analysieren, welche Haltungs- und Verhaltensmuster in der Organisation existieren und was diese in verschiedenen Kontexten bewirken, fachliche Inputs zum Thema Führung und Change Management zu geben und durch Perspektivwechsel mit dem Management neue Handlungsoptionen zu erarbeiten und deren Umsetzung sicherzustellen.

 

Hans-Werner Bormann ist geschäftsführender Gesellschafter der WSFB-Beratergruppe Wiesbaden, Unternehmensberater, Lehrberater, Vorstandsvorsitzender des Fachverbandes Change Management im Bundesverband der Deutschen Unternehmensberater (BDU) und hat einen Lehrauftrag an der Hochschule Karlsruhe ‚Die innovierende Organisation – Veränderungs- und Lernprozesse zielführend gestalten‘.