MUT – oder geht es doch nur um Vertrauen?
Mut ist aktuell eines der Top-Schlagwörter und zählt in Organisationen vermehrt zu einer zentralen Einflussgröße. Gleichzeitig verbindet fast jeder mit diesem Begriff ein eigenes Bild im Kontext von Haltung, Verhalten und der Wirkung in organisatorischen Entwicklungsprozessen.
Ängste und Sorgen, das Festhalten an Gewohnheiten und eingespielten Verhaltensweisen – diese Reaktionen von Menschen in Transformationsprozessen kennen wir alle. Vor allem in Zeiten von zunehmender Unsicherheit und einer neuen Realität mit z.B. noch höherer Geschwindigkeit und Remote Work verstehe ich, dass einige Menschen beunruhigt sind und Sorgen in Bezug auf die Zukunft haben. Oftmals gibt es jedoch zu viele Menschen in der Organisation, die zudem auch bei anderen Menschen Ängste auslösen, gleichzeitig keine Lösungsideen haben oder nicht zu einer Entwicklung von Lösungen und Vertrauen beitragen. Diesen Menschen fehlt oftmals das entscheidende Mindset und der Mut, die Zukunft hoffnungsvoll für sich und andere zu gestalten.
Einer der Erfolgsfaktoren von Organisationen ist es, möglichst allen Menschen wieder mehr Lust auf die Zukunft zu machen und zu mutigem Verhalten anzuregen. Neben der Stabilität zeichnet sich eine vitale Organisation – als höchste Stufe der Kulturentwicklung – durch einen Grad an Instabilität aus, bei dem Mut eine wichtige Eigenschaft für Entwicklung im Sinne von neuem Verhalten infolge von Offenheit und Neugier ist.
Denn kennen wir nicht alle unzählige Beispiele, bei denen wir über uns selbst hinausgewachsen sind und gemeinsam mit anderen Menschen Ziele erreicht haben, die zuvor unmöglich erschienen? Zum Beispiel beim Sport, im privaten Umfeld oder bei unternehmerischen Entscheidungen. Viele Menschen haben dabei bewusst gegen ihre Glaubensgrundsätze gehandelt, was für viele sicher eine mutige Entscheidung war.
Meine (und sicher nicht nur meine) tiefe Überzeugung und Erfahrung ist: Wir Menschen sind zu viel mehr in der Lage, als wir uns selbst zutrauen. Oftmals benötigen wir nur eine gewisse Portion Mut.
Daher stellt sich die Frage, warum Mut im unternehmerischen Kontext sinnvoll ist und wie es Organisationen und dem HR-Bereich gelingt, mutige Denk- und Verhaltensweisen von Menschen zu steigern, um die Gegenwart und Zukunft, idealerweise für die Menschen, als auch für die Organisationen, erfolgreich zu gestalten.
Aus Vertrauen wächst Mut.
Ich glaube fest daran, dass Mut aus Vertrauen entsteht. Nur in einer vertrauensvollen Organisationskultur und durch vertrauensvolle Beziehungen unter den Organisationsmitgliedern, steigt die Bereitschaft der Menschen mutige Wege zu gehen.
Das Vertrauen startet zunächst mit dem Vertrauen in sich selbst – z.B. Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten, als auch der Fähigkeit anderen Menschen zu vertrauen. Durch die Schaffung eines vertrauensvollen Umgangs in Organisationen lässt sich Mut letztlich leichter umsetzen.
Bevor ich die Erfolgsmuster vitaler Organisationen in dem Kontext Mut darstelle, erhältst du vorab eine kurze Definition, was Mut für mich bedeutet.
Wie kann Mut definiert werden?
Es gibt unterschiedliche Definitionen und viele sinnvolle Betrachtungsweisen des Themas Mut im Kontext von Change- und Entwicklungsprozesse in Organisationen.
Mut ist für mich die Kraft des emotionalen Wollens, das „Ja, ich will“ eines Menschen, anstatt eines „Ok, ich muss“. Durch die Bereitschaft Entscheidungen aus dem eigenen Willen heraus zu treffen definiert infolgedessen jeder Mensch seine eigenen Grenzen neu und überwindet somit eingespielte Verhaltensmuster. Durch das Vertrauen in sich selbst und die Neugier auf die Zukunft, wird bewusst ein „Risiko“ eingegangen, um ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen.
Die Lust auf dieses Ergebnis, die Lust auf die Zukunft und damit der innere Antrieb eines Menschen ist höher, als die Angst davor, einen Fehler zu machen oder zu scheitern. Das Vertrauen stellt somit die Basis dar, die Angst vor Fehlern zu minimieren und Rückschläge zu verkraften. Vertrauen kann daher in diesem Zusammenhang auch als „Angstbesieger“ bezeichnet werden.
Das emotionale „Ja, ich will…“ oder „Ich entscheide / handele jetzt so…“ entsteht genau dann, wenn das Bewusst-Sein und das Unterbewusst-Sein von uns Menschen die Informationen erhalten, die jeweils relevant sind: Ein attraktives Bild der Zukunft für unser Unterbewusst-Sein und einen Plan bzw. eine Strategie für unser Bewusst-Sein.
Und Warum? Unser Unterbewusst-Sein beherbergt unsere Emotionen, liebt den bekannten Weg und benötigt Motivation. Diese Motivation entsteht durch ein attraktives Zukunftsbild bzw. eine Vision. Unser rationales und diszipliniertes Bewusst-Sein benötigt hingegen Direktion und wird dementsprechend mit einem Plan bzw. einer Strategie erreicht.
Warum ist mehr Mut für Organisationen sinnvoll?
Mut im unternehmerischen Kontext umfasst verschiedene Themenbereiche, wie z.B. die Führung und Verantwortung, Zusammenarbeit, Innovationsfähigkeit, als auch die Befähigung von Menschen, Transformation erfolgreich zu gestalten. Die Unternehmenskultur stellt dabei den entscheidenden Rahmen für mutige Entscheidungen und Verhaltensweisen dar.
Nachfolgend findest du eine mögliche, keineswegs vollständige Darstellung positiver Effekte eines höheren Mutlevels bei Teammitgliedern, die letztlich zu einer zielführenden Beschleunigung deiner und eurer Change- bzw. Transformationsprozesse führen kann.
- Menschen mit einer mutigeren Haltung entscheiden sich öfter für ein neues Verhalten
- Neues Verhalten, durch Versuchen und Ausprobieren, entfaltet neue Potenziale
- Neue Potenziale entwickeln die Kultur und bewirken mehr Innovation
- Kultur und Innovation erzeugen neue Prozesse, Strukturen und Produkte
- Neue Prozesse, Strukturen und Produkte steigern den gegenwärtigen Erfolg und die Zukunftsfähigkeit der Organisation
- Eine erfolgreiche Gegenwart und eine höhere Zukunftsfähigkeit erzeugen Vertrauen
- Vertrauen erzeugt Mut
- Mut erzeugt…
Du siehst, die dargestellte Reihe lässt sich noch weiterführen. Mut ist damit eine Entscheidung, die Transformation anstößt. Durch mutige Verhaltensweisen verändern sich Situationen für einen selbst, als auch für andere. Selbstverständlich werden durch die Teammitglieder auch mehr Fehler gemacht, wenn neue Vorgehen erprobt werden. Dann ist es wichtig, diese offen (formal und informell), z.B. durch Fehler bzw. Fuck-Ups des Monats zu besprechen und den Lernprozess als Chance in den Mittelpunkt zu stellen. Gleichzeitig ist es notwendig, das Vertrauen in die Gruppe und den gemeinsamen Weg zum Erfolgsbild weiter zu stärken. Und auch in diesem Beispiel zeigt sich Mut durch Vertrauen: „Mein Fehler und das erhaltene Feedback ist nicht besonders schlimm und macht mich und die Organisation stärker.“
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass ein organisatorischer Rahmen gesteckt wird, der vor existenziellen Fehlentscheidungen schützt und Mitarbeitende vorab durch den HR-Bereich und durch Führungskräfte Orientierung und Vertrauen erhalten, sowie befähigt werden, selbst Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen. Dies kann ein interaktiver Prozess zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden sein: „Entscheide das bitte beim nächsten Mal selbst.“
Wie gelingt es die Mutlevel von Personen und Teams in Organisation zu steigern?
Es braucht keinen Mut, um Mut zu erzeugen oder zu steigern. Die folgenden Handlungsfelder und mögliche Vorgehensweisen steigern die individuellen Mutlevel von Personen und Teams. Manchmal reicht dabei ein mutiger Mensch, um eine Bewegung in der gesamten Organisation zu erzeugen.
1. Zukunftsbild
Entwickle gemeinsam im Team ein attraktives Bild der Zukunft – einen idealen Zustand an einem konkreten Tag, der z.B. zwei Jahre in der Zukunft liegt. Alle Teilnehmenden beschreiben diesen Tag im Präsenz und die entstandenen Bilder werden zu einem gemeinsamen Bild zusammengeführt. Dabei kann ein Zukunftsbild für die Organisation, Teams und Einzelpersonen entwickelt werden.
Wenn du ganz pragmatisch vorgehen willst, dann kann jedes Teammitglied z.B. im Rahmen eines Team Jour Fixes folgenden Satz vervollständigen: „Für mich bedeutet Erfolg im Kontext unserer Organisation / unseres Teams / für mich selbst, wenn wir folgendes erreicht haben:…“
=> Zukunft wird aus Mut gemacht.
2. Leader
Die Aufgabe der Leader bzw. Führungskräfte ist es, die Realität (z.B. Status Quo, Chancen, Risiken, Ressourcen, Rahmen) zu definieren und gleichzeitig die Teammitglieder zu Hoffnung zu inspirieren: „Define Reality. Inspire Hope.“ Diese Inspiration kann durch Schaffung einer möglichst druckfreien und angstfreien Zone, ein Zukunftsbild oder durch konkrete Impulse und Ideen gelingen.
=> Hoffnung erzeugt Mut
3. Kultur
Der weiche Faktor mit harter Wirkung: Die Unternehmenskultur ist inzwischen als Erfolgsfaktor in vielen Organisationen anerkannt. Die Kultur umfasst Dimensionen wie Gebäude, Arbeitsplätze (Remote / im Office) und Organigramme. Für mich umfasst die Kultur vor allem die nicht sofort sichtbaren Kulturdimensionen wie Leidenschaft, Erfahrungen und Wissensaustausch, die Art der Zusammenarbeit (Schwarmintelligenz – Co-Creation) und den vertrauensvollen Verbindungen der Menschen in der Organisation miteinander. Eine Kultur des Muts zeigt sich vor allem dadurch, dass neue Dinge ausprobiert, Fehler zugelassen und diese als Lernmöglichkeit berücksichtigt werden.
Schaffe daher einen ermutigenden kulturellen Rahmen und setze bei folgenden drei Ebenen an:
- wissen – verstehen – emotional wollen
=> Mut entsteht auf der Ich-Ebene: Haltung - können – dürfen durch Strukturen und Regeln
=> Mut wird durch die Organisation ermöglicht und gefördert - machen – wirken durch mutige Handlungen
=> Mut wird sichtbar durch (mehr) erlebbares Verhalten zur Erzielung von (mehr) materiellen und immateriellen Ergebnissen
=> Kultur ermöglicht und verstärkt Mut
4. Training& Reflexion
Durch Wiederholung von mutigen Handlungen wird die Handlungsbereitschaft trainiert. Schaffe Anlässe, um Beispiele für mutiges Verhalten zu reflektieren und allen Organisationsmitgliedern bewusst zu machen. Es geht um die Verankerung neuer Verhaltensweisen durch Übungen – z.B. ganz individuell in den einzelnen Teams. Eine Möglichkeit kann sein, dass jedes Teammitglied erzählt, was für ihn/sie mutig war und was aus seiner/ihrer Sicht ein Beispiel für Mut in der Zukunft ist.
=> Übung erzeugt Routine für mutiges Verhalten und unterstützt den Weg „vom wissen zum wollen zum können“
Und ganz zum Schluss können wir uns auch einfach die Frage stellen: Was passiert denn, wenn wir nicht mutig sind? Rückschritt? boreout? Lasst uns lieber Lust auf Zukunft wecken und die Reise mit hohem Vertrauen in uns, andere Menschen und die Organisation starten.
Tipps zur Vertiefung
- Nur Mut!: Wenn wir uns ändern, verändert das die Welt (div. Autoren inkl. Prof. Gerald Hüther)
- 30 Minuten Mut (Patrick Herrmann)
- Teamentwicklungsinstrument „Bist Du bereit Box – Mut“ (Eigenland GmbH)
- Vertrau dir selbst und du schaffst (fast) alles (Bodo Janssen)