Veränderungsmanagement

Sind Sie ein veränderungsbereiter Mensch – oder lassen Sie sich von Ihrem Gehirn nur täuschen?

Wann haben Sie in Ihrem Unternehmen den letzten Change Management oder Veränderungsmanagement-Prozess abgeschlossen? Ist wirklich alles umgesetzt worden - langfristig? Wie kam der Prozess im Unternehmen an? Wurde er von allen Mitarbeitern getragen?

Ich habe vor ein paar Jahren einen Artikel geschrieben mit dem Titel: „Vor der Sanierung ist nach der Sanierung“.   Thema  damals  war,   dass   die  Arbeit  mit   der   Veränderung  mit   Abschluss  der Organisations- und Strategieveränderung erst beginnt. Strukturen kann man relativ (die Kollegen, die damit betraut sind, mögen mir die „flapsige“ Einschätzung verzeihen) schnell ändern, was die Sache wirklich schwierig macht, ist der Mensch bzw. die Mitarbeiter und Führungskräfte von diesem Prozess nachhaltig und langfristig zu überzeugen.

 

Veränderungen, insbesondere, wenn sie tiefgreifend durchgeführt werden, wie Sanierungsprozesse, sind gut vor– und noch besser nachzubereiten. Im Regelfalle scheitern sie schlicht und ergreifend an mangelnder  Kommunikation.  Prozesse  werden  nicht  sauber  kommuniziert, Informationsveranstaltungen finden einmal und nie wieder statt, etc.; in vielerlei Hinsicht ein psychologischer Problemfall. Der Vorstand und die Projektleitung ist gut informiert, die Bereichsleitung hat noch einen Überblick, bei den Abteilungsleitung wird es schon eher ein grober Überblick und noch weiter runter wird die Informationskaskade immer brüchiger und löchriger. Wenn das wie und warum nicht erkannt wird, ist die Bereitschaft die Veränderungen wirklich umzusetzen mehr als schwach. Häufig ist dann zu spüren, dass die alten Strukturen unter der Oberfläche beibehalten werden und nach einem halben Jahr, steht man im Prinzip vor einem Scherbenhaufen der Veränderung.

Aber was macht diese Veränderungen bei uns Menschen so schwierig umsetzbar? Wenn Sie die Mitarbeiter oder Führungskräfte befragen, werden sich viele als offen und veränderungsbereit einschätzen. Aber ist dies auch wirklich so oder spielt uns da unser Gehirn einen Streich?

Nach Roth haben die Hirnzentren und -funktionen, die zuerst entstehen den stärksten Einfluss auf unser Verhalten. Das vegetativ-affektive Selbst regelt über die lebenswichtigen Körperfunktionen (wie Schlaf,  Kreislauf,  Atmung,  etc.)  auch  grundlegende  Affekte  wie Wut,  Zorn,  Angriffe,  Flucht  und hierüber auch unser Temperament. So legen diese Hirnzentren wie der Hypothalamus und Teile der Amygdala fest, wie wir uns in schwierigen oder risikoreichen Situationen verhalten. Diese früh entstandenen Teile unserer Persönlichkeit und unseres Verhaltens sind allerdings sehr fest in uns und nur schwer veränderbar. Später erlernte Hirnfunktionen, wie  z.B. sozial-emotionales Erleben und Verhalten oder das bewusste sprachlich-kognitiv-kommunikative Verhalten sind leichter oder sehr leicht veränderbar – aber mit geringen Folgen. Das heißt hier lassen sich die Veränderungen zwar vom Verhalten durchführen, führen aber nicht zu einer langfristigen Verhaltensänderung.

Was bedeutet dies aber nun für einen Veränderungsprozess? Kurz gesagt: an die Vernunft zu appellieren bringt wenig: wenn man das bewusste,  sozial-emotionale Selbst ansprechen möchte, muss  ihm   das  unbewusste,  affektiv-emotionale  Selbst  zustimmen.  Das  Unbewusste  ist  auf nachhaltige Belohnung aus – relativ frei davon, was die Person bewusst fühlt, denkt und sagt - und das ist häufig stärker (Roth, G.). Kennen Sie das nicht bei sich selbst auch – aus Vernunftgründen hätte die Entscheidung ganz anders aussehen müssen, trotzdem wurde ein anderer Weg gewählt. Das Warum zu erklären fällt uns dazu schwer – meist wird es mit dem „Bauchgefühl“ begründet. Oder haben Sie sich auch schon einmal über Ihr eigenes Verhalten in sozialen Situationen geärgert? Manchmal ist das Kind in uns mit seiner unterschwelligen Dominanz stärker als wir es haben wollen und dann erfolgt eine kindliche Reaktion und keine vernünftige.

Genau dies passiert auch bei Veränderungsprozessen. Die Veränderung wird implementiert, gehen wir sogar davon aus, dass sie entsprechend gut kommuniziert wurde, die Mitarbeiter ändern auch anfangs das Verhalten, doch nach kurzer Zeit schläft der Change-Prozess ein und wir verharren in den alten Strukturen. Das „Alte“ belohnt unser Kindheits-Ich – die Prozesse nach alter Manier können wir und beherrschen sie – unbewusst (die lieben alten Gewohnheiten, an denen man hängt…).
Was kann man tun, um mit diesen alten Gewohnheiten zu brechen? Roth sieht die Lösung sehr stark im Führungsbereich. Darin sich individuell auf die Person des Mitarbeiters einzustellen, die Menschen, die diesen Prozess wirklich tragen, müssen in ihrer individuellen Persönlichkeit erreicht werden. Das heißt die Führungskraft muss genau das Verhalten und halb- oder auch unbewusste Reaktionen des Mitarbeiters kennen, sie muss wissen, was bei ihm Stress auslöst, was ihn auszeichnet, was ihn motiviert und demotiviert. Sie muss wissen, wie er entscheidet, wo seine bewussten und unbewussten Ziele liegen.

Das Ziel in der Begleitung von Veränderungsprozessen liegt in der Führungsaufgabe, dem Mitarbeiter deutlich zu machen, den Veränderungsprozess als eine Chance zu sehen, sich selbst zu verwirklichen (im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten) und ihm damit die Belohnung für seine Kreativität und seinen Einfallsreichtum zu geben. Dies ist eine Möglichkeit hier die dominante kindliche Seite unseres Gehirns, die sehr unbewusst arbeitet zu überlisten. Belohnungen wie Geld, höherer Status wirken nur kurzfristig, da sie jüngere Gehirnbereiche ansprechen und so nicht lange wirken können.

Zu aufwendig? Ja, allerdings zeichnet erfolgreiche Führungskräfte ein sehr individueller Umgang mit Mitarbeitern aus. Man kann nicht jeden Menschen gleich erreichen und behandeln. Diese Mehrarbeit lohnt sich in jedem Falle, ein Veränderungsprozess, der immer wieder neu aufgerollt werden muss, zermürbt das Unternehmen und kostet im Zweifelsfalle mehr, als eine sorgfältige Umsetzung und Begleitung des Prozesses durch die Führungskräfte.

Die Neurobiologie geht noch eine Spur weiter, für sie ist - egal was wir tun, denken, wie wir handeln und was wir lernen - alles nur ein neuronaler Prozess. Wie wir uns selbst wahrnehmen und die Welt um uns herum beruht auf der funktionellen Architektur unseres Gehirns. Eine übergeordnete Instanz wie ein Selbst gibt es nicht – sondern nur eine Ansammlung vieler einzelner Empfangsstellen, die alle einzeln nur Einzelinhalte von äußeren Gegebenheiten verarbeiten. Diese verknüpfen sich ähnlich wie dem Internet, sozialen Systemen und Flugrouten. Welcher Weg oder welche Verknüpfung gewählt wird, hängt davon ab, welcher Weg am effizientesten erscheint. Auch hier gilt: spontane Entscheidungen bieten uns keine Möglichkeit uns anders zu entscheiden oder anders zu handeln. Aber es gibt die Chance über die Vielzahl der Verknüpfungen die möglich sind, eine Veränderung im Verhalten zu implementieren. Denn wenn andere Neuronen angesprochen werden, neue Wege/Möglichkeiten offen werden, implementieren sich auch Veränderungen und machen den Empfänger offener. Wichtig ist es immer den Einzelnen in seinem Denken und Fühlen abzuholen und ihn für die neuen Wege offener zu machen und ihm so Raum und Möglichkeit für sich selbst zu bieten.

 

Quellen:
Roth, G. (2013): Die Hirnblockade – oder warum sich Menschen nur schwer ändern. Wirtschaftspsychologie aktuell 2/2013
Singer, W. (2013): Im Netz der Neuronen. Wie bringt das Gehirn unser Selbst hervor? Symposium „Eine  Welt  ohne  Seele  und  freien  Willen?  Methoden,  Erkenntnisse  und  Konsequenzen  der Hirnforschung“ 09.02.2013 Universität Frankfurt