ERLESEN

Nicht immer, aber immer öfter - Sozialversicherungspflicht für Geschäftsführer und Selbständige

Aufgrund der aktuellen politischen Diskussion über die Zukunft der Rente und nicht zuletzt durch zwei Entscheidungen des Bundessozialgerichts Ende 2015 (BSG, Urteile v. 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R und B 12 KR 10/14 R) ist die Frage, ob ein Geschäftsführer oder ein Selbstständiger der Sozialversicherungspflicht unterliegt oder nicht, wieder stärker in den Fokus gerückt. Auch für Unternehmensberater stellt sich die Frage nach ihrem Versicherungsstatus. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die aktuelle sozialversicherungsrechtliche Einordnung von Geschäftsführern und Freiberuflern.

Wer als angestellter Geschäftsführer ohne Beteiligung an der Gesellschaft tätig ist, wird behandelt wie ein Arbeitnehmer und unterliegt der Sozialversicherungspflicht. Anders verhält es sich mit Geschäftsführern, die gleichzeitig Gesellschafter sind (sogenannte Gesellschaftergeschäftsführer). Grundsätzlich gilt, dass nur derjenige Gesellschaftergeschäftsführer einer Beratungsgesellschaft von der Sozialversicherungspflicht frei ist, der keinen Weisungen Dritter unterliegt. Für die Beurteilung, ob Weisungsgebundenheit vorliegt, kommt es auf eine einzelfallbezogene Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse an, nicht auf die getroffenen Vereinbarungen. Entsprechend hat das BSG in den zitierten Entscheidungen sogenannten Stimmbindungsverträgen, nach denen sich Gesellschafter einer bestehenden Beratungsgesellschaft verpflichten, gemeinsam abzustimmen und dadurch Weisungen der Gesellschafterversammlung an die Geschäftsführung zu verhindern, eine Absage erteilt. Da derartige Verträge in der Regel jederzeit kündbar seien, seien sie de facto nicht geeignet, Weisungen an die Geschäftsführer zu unterbinden.

 

Eindeutig keinen Weisungen Dritter unterliegt ein Gesellschaftergeschäftsführer einer Beratungsgesellschaft mbH dann, wenn er alleiniger Gesellschafter ist oder über eine Mehrheitsbeteiligung verfügt. Ein solcher Geschäftsführer ist aufgrund seiner Mehrheitsbeteiligung stets in der Lage, Weisungen, die ihm die Gesellschafterversammlung erteilen will, zu verhindern. Daher unterliegen Geschäftsführer, die mit über 50 Prozent am Stammkapital einer Consulting GmbH beteiligt sind, aktuell grundsätzlich nicht der Sozialversicherungspflicht. Verfügt ein Gesellschaftergeschäftsführer dagegen über weniger als 50 Prozent Anteil am Stammkapital der Beratungsgesellschaft, ist er in der Regel den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterworfen, unterliegt folglich der Sozialversicherungspflicht.

 

Ausnahmen: Mehrheitsbeteiligung oder Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag

 

Durch entsprechende Gestaltung kann auch bei einem Minderheitengesellschafter die Weisungsgebundenheit und damit abhängige Beschäftigung ausgeschlossen werden. Einfache Verträge zwischen den Beteiligten reichen dann allerdings nicht aus, sicherer sind entsprechende Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag. Dieser kann bei schon bestehenden Beratungsgesellschaften in aller Regel durch Beschluss der Gesellschafterversammlung geändert werden. Ist beispielsweise im Gesellschaftsvertrag einer Beratungsgesellschaft eine Sperrminorität vorgesehen, mit deren Hilfe der Gesellschaftergeschäftsführer in der Gesellschafterversammlung ihm nicht genehme Entscheidungen in Bezug auf seine Geschäftsführertätigkeit verhindern kann, fehlt es regelmäßig an einer Weisungsgebundenheit und damit auch an einer Sozialversicherungspflicht.

 

GmbH & Co. KG: Gestaltung der Beziehungen im Gesellschaftsvertrag prüfen 

 

Für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Gesellschaftergeschäftsführer bei einer GmbH & Co. KG, die als Rechtsform auch in der Consultingwirtschaft durchaus vorkommt, sind die Grundsätze, die für die KG gelten, entscheidend. Danach kommt es nicht nur auf die Gesellschafterstellung in der (Komplemetär-)GmbH an, sondern auch auf die Stellung als Kommanditist. Maßgeblich ist, in welchem Umfang der Geschäftsführer auf die Geschicke der KG Einfluss nehmen kann. Ist der Gesellschaftergeschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter der Komplementär-GmbH und obliegt ihm die alleinige Geschäftsführung, ist entscheidend, ob ihm als Kommanditisten Weisungen erteilt werden können oder nicht. Können keine Weisungen erteilt werden, ist der Gesellschaftergeschäftsführer insgesamt weitgehend weisungsfrei und in Folge nicht sozialversicherungspflichtig. 


Obliegt die Geschäftsführung der GmbH & Co.KG allein der Komplementär-GmbH und sind die Kommanditisten von der Geschäftsführung ausgeschlossen, kommt es auf die Stellung als Kommanditist für die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht nicht an. Hier ist allein maßgeblich die Stellung als Gesellschaftergeschäftsführer der GmbH (s.o.). Unterwirft der Gesellschaftsvertrag dagegen die Geschäftsführung der Aufsicht und Weisungsbefugnis der Kommanditisten, kann ein Gesellschafter der GmbH, dem die Geschäftsführung der KG übertragen ist, zur KG in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen und folglich sozialversicherungspflichtig sein. Dies gilt unabhängig davon, ob der Geschäftsführer innerhalb der GmbH maßgeblichen Einfluss hat oder nicht. Im Einzelfall muss daher genau darauf geachtet werden, wie die Beziehungen zwischen Komplementär und Kommanditist ausgestaltet sind. Häufig sind in Beratungsgesellschaften die Kommanditisten nicht weisungsbefugt, aber es gibt bekanntlich keine Regel ohne Ausnahme. Daher lohnt sich für einen Unternehmensberater, der Geschäftsführer ist, auf jeden Fall immer der Blick in den Gesellschaftsvertrag.

 

Einzelkämpfer sollten für mehr als einen Auftraggeber tätig sein


Die Frage der Sozialversicherungspflicht stellt sich nicht nur für Gesellschaftergeschäftsführer, sondern auch für Partner einer Partnerschaftsgesellschaft und Gesellschafter einer als GbR organisierten Beratungsgesellschaft ebenso wie für als „Einzelkämpfer“ tätige Freiberufler. Grundsätzlich gelten sie alle als selbstständig Tätige, weil sie in keinem abhängigen Verhältnis zu ihrer Gesellschaft stehen. Sie unterliegen daher an sich keiner Sozialversicherungspflicht (Ausnahme: Pflichtmitgliedschaft in berufsständischen Kammern). Vor allen Dingen bei Ein-Mann-Gesellschaften und allein tätigen Freiberuflern hat der Gesetzgeber dieser Versicherungsfreiheit allerdings Grenzen gesetzt: Sie unterfallen der Sozialversicherungspflicht, wenn sie regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind. Ausnahmen von der Versicherungspflicht können auf Antrag zugelassen werden, für Existenzgründer gelten Sonderregelungen. 

 

Gestaltungsspielräume bei der Gründung einer Beratungsgesellschaft genau überprüfen


Die Beispiele zeigen: Bei der Feststellung der Sozialversicherungspflicht eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer Beratungs-GmbH oder GmbH & Co.KG steckt der Teufel im Detail. Daher sollte bereits bei Gründung einer Beratungsgesellschaft genau geprüft werden, welche Gestaltungsspielräume vorhanden sind, um eine Sozialversicherungspflicht des als Geschäftsführer tätigen Beraters und damit auch die Gefahr einer Nachforderung nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge von vornherein zu verhindern. Abzuwarten bleibt, ob die Bundesregierung im Zuge der angekündigten Rentenreform gesetzliche Regelungen trifft, die Geschäftsführer unabhängig von ihrer Beteiligung an der Gesellschaft der Sozialversicherungspflicht zu unterwerfen, ebenso wie alle Selbstständigen, die nicht Pflichtmitglied in einer berufsständischen Kammer sind. Angesichts der aktuellen Diskussion ist das nicht gänzlich ausgeschlossen.

 

Gabriele Heise ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht bei Baker Tilly Roelfs

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