Nachwuchsgewinnung: So schlimm sind die doch gar nicht!
Was sind die Erwartungen der Nachwuchsberater an ihren zukünftigen Arbeitgeber und welche Anforderungen stellen Beratungen an die nächste Berater-Generation? Treffen die Vorurteile über die Generation Y wirklich zu? Und wie ist das Recruiting der Unternehmen aktuell aufgestellt? Dies wollte eine Befragung des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater (BDU) herausfinden. Somit sollen Kommunikationsschwierigkeiten vermieden und beiden Parteien die Möglichkeit gegeben werden, sich besser aufeinander einzustimmen. Befragt wurden sowohl Mitglieder des Bundesverbandes deutscher Studentischer Unternehmensberater (BDSU) als auch Mitglieder des BDU.
Zentrale Ergebnisse:
- Work-Life-Balance ist das unangefochtene Thema Nr. 1 für die Nachwuchsberater
- Weiterbildung ist ein Muss
- Nachwuchsberater legen Wert auf spannende Projekte beim Klienten
- Beratungen sollten den Nachwuchs erfolgreich binden, um die eigenen Berater nicht an Klienten zu verlieren
Die Befragung untergliedert sich in sechs Teilbereiche: Work-Life-Balance, Reisebereitschaft bzw. -anforderung, Angebote im Unternehmen, Benefits und Aufmerksamkeit im Recruiting. Den letzten Bereich bilden die Versus-Fragen, sprich: Welche Aussage passt eher zu mir bzw. zu meinem Unternehmen?
1. Work-Life-Balance
Insgesamt legen die Nachwuchsberater sehr viel oder viel Wert auf Work-Life-Balance. Bei den Frauen unter den Nachwuchsberatern ist dies mit 92 Prozent sehr ausgeprägt. Bei den Beratungen achten besonders die großen Beratungen (mehr als 50 Mitarbeiter) sehr stark auf Work-Life-Balance. Somit können diese bei den Frauen besonders punkten. Aber auch mittelgroße und kleine Beratungen geben an, dass sie Wert auf eine angemessene Work-Life-Balance legen. Beratungen und Nachwuchsberater liegen somit bei diesem Thema auf einer Linie. Grafik als PDF
2. Reisebereitschaft
Laut der Befragung sind Juniorberater sehr reisefreudig.
Der größte Teil der Nachwuchsberater würde zwei bis vier Tage reisen. Bei den Männern geben sogar 14 Prozent an, dass sie fünf Tage reisen würden und 9 Prozent wären auch bereit, sieben Tage die Woche mit auswärtiger Übernachtung unterwegs zu sein. Grafik als PDF
Die Beratungen gehen mit ihren Nachwuchsberatern etwas sorgsamer um: Mehr als fünf Tage muss niemand auf Reisen sein, der Großteil ist zwischen einer Nacht und drei Nächten auswärts unterwegs. Fazit: Die Beratungen könnten ihre Juniorberater noch öfter auf Reisen schicken und beim Kunden einsetzen. Dies sollte jedoch individuell abgesprochen werden, da die Reisebereitschaft meist stark von der familiären Situation abhängt.
3. Angebote im Unternehmen
Welche Angebote in einem Unternehmen sind den Nachwuchsberatern wichtig – und was davon bieten die Unternehmen überhaupt an? Die Top 3 der nachgefragten Angebote sind spannende Projekte (90 Prozent sehr wichtig oder wichtig), eine klare Trennung zwischen privat und beruflich (67 Prozent sehr wichtig oder wichtig) und Zeiterfassung bzw. Überstundenausgleich (69 Prozent sehr wichtig oder wichtig).
Mit spannenden Projekten können besonders die kleinen Beratungen locken. Doch auch mittelgroße und große Beratungen legen viel Wert auf die Einbindung ihrer Nachwuchsberater in Projekte. Auch auf eine klare Trennung zwischen privat und beruflich legen 86 Prozent der Beratungen sehr großen oder großen Wert. Lediglich die Themen Zeiterfassung und Überstundenausgleich werden nur bei 47 Prozent der Beratungen oft angeboten; die Beratungen legen an dieser Stelle mehr Wert auf Möglichkeiten für Homeoffice (55 Prozent). Hier wird also erneut die Wichtigkeit von Work-Life-Balance für die Nachwuchsberater deutlich und die Beratungen sollten ihr Angebot noch etwas anpassen. Grafik als PDF
4. Benefits
Die Entscheidung für oder gegen einen Arbeitgeber wird bei den Studierenden ganz stark durch die Möglichkeit auf Weiterbildung beeinflusst. Dies hat bei 97 Prozent der Befragten einen großen Einfluss oder Einfluss. 99 Prozent der Beratungen bieten jedoch bereits Weiterbildung für ihre Juniorberater an, sodass sich hier das Angebot und die Nachfrage gut ergänzen.
An zweiter Stelle steht bei den Benefits die Möglichkeit auf Teilzeit, wobei dies besonders bei den Frauen (75 Prozent) sehr gefragt ist. In diesem Punkt können die kleinen Beratungen punkten, weil sie mit 88 Prozent sehr häufig die Möglichkeit auf Teilzeit anbieten. Bei den großen Beratungen geben jedoch auch noch 70 Prozent an, dass Teilzeit im Unternehmen möglich ist.
Viele Unternehmen – hier besonders die großen Beratungen – bieten außerdem finanzielle Benefits an. Diese sind bei den Nachwuchsberatern jedoch gar nicht so sehr gefragt. Die Junioren legen mehr Wert darauf, auch einmal eine längere Freistellung oder ein Sabbatical gewährt zu bekommen. Dies wird bei den kleinen Beratungen kaum angeboten – hier können im Gegensatz dazu die mittelgroßen und großen Beratungen punkten.
Auch bei diesem Teil der Befragung wird wieder deutlich, wie wichtig den Nachwuchsberatern Freizeit und Work-Life-Balance ist, und dass sie dafür auf finanzielle Benefits verzichten würden. Grafik als PDF
5. Aufmerksamkeit gewinnen
Von Nachwuchsberatern als potentieller Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, setzt natürlich erst einmal voraus, deren Aufmerksamkeit zu gewinnen. Kleine Beratungen setzen dafür gerne die BDU-Mitgliedschaft als Überzeugungskriterium ein. Bei den Nachwuchsberatern ist der Internetauftritt eines Unternehmens die ungeschlagene Nr. 1. Das wurde von den mittelgroßen und großen Unternehmen bereits erkannt. Zu diesem Ergebnis kam ebenfalls eine kürzlich veröffentlichte Studie der Unternehmensberatung McKinsey, wonach über 80 Prozent der befragten Studenten die Internetseite eines Unternehmens als Informationsmedium nutzen.
Ein weiteres wichtiges Kriterium für die Nachwuchsberater ist das Engagement bei studentischen Unternehmensberatern, was jedoch auch sicher durch die Aktivität der Befragten im BDSU zustande kommt und somit nicht für alle Nachwuchsberater gilt. Dennoch ist es ein Hinweis für die Beratungen, um die Studenten bereits an der Universität für die eigene Beratung zu gewinnen.
An dritter Stelle spielen für die Nachwuchsberater Auszeichnungen eine wichtige Rolle, die besonders von den kleinen Beratungen für das Recruiting genutzt werden. Mittelgroße Beratungen setzen dagegen mehr auf Social Media und große Beratungen zusätzlich auch auf Messeauftritte, wobei dies bei den Nachwuchsberatern nicht unter den Top 3 gelandet ist. Grafik als PDF
6. Versus-Fragen
Im letzten Teil der Befragung mussten die Teilnehmer sich jeweils zwischen zwei Aussagen entscheiden, welche eher auf sie bzw. ihr Unternehmen zutrifft. Die Nachwuchsberater sind sich einig, dass sie eher eine planbare Karriere in einer Beratung anstreben, als durch viele Wechsel eine schnelle Karriere zu machen. Diese Erfahrungen machen auch die Beratungsunternehmen, denn die Juniorberater bleiben meist in den Unternehmen.
Besonders den Männern sind Projekte beim Kunden wichtig, die Frauen teilen sich genau auf und würden zu 50 Prozent im Backoffice arbeiten und somit eine planbare und regelmäßige Arbeit vorziehen. Die Beratungen setzen ihren Nachwuchs jedoch sehr gerne in Projekten beim Kunden ein.
Beim Verdienst ergibt sich ein großer Unterschied zwischen Frauen und Männern bei den Nachwuchsberatern. Männer würden für einen höheren Verdienst auch auf Work-Life-Balance verzichten. Bei den Studentinnen ist es genau andersherum; der Verdienst kann auch geringer sein, wenn dafür die Work-Life-Balance stärker im Vordergrund steht. Die Beratungen ordnen sich zu 50 bis 60 Prozent auf die Seite mit weniger Verdienst, aber ggf. mehr Work-Life-Balance ein. Dieses Ergebnis widerspricht der zuvor erwähnten McKinsey-Studie. Die Befragten dabei wünschten sich ein relativ hohes Einstiegsgehalt von 51.400 Euro. Diese Befragung wurde jedoch nicht nur unter zukünftigen Beratern, sondern fachübergreifend durchgeführt.
Bei all diesen Fragen decken sich die Antworten der Studenten sehr gut mit den Angaben der Beratungen. Dies ändert sich jedoch bei der letzten Frage: Beratungen sind davon überzeugt, dass die Nachwuchsberater auch in der Branche bleiben, aber die Studenten sagen zu über 80 Prozent, dass sie auch einmal auf der Klientenseite arbeiten möchten. Die Beratungen sollten sich also auf die Bindung ihrer Nachwuchsberater konzentrieren, um sie auch auf lange Sicht von einem Job in der Beratungsbranche zu überzeugen. Grafik als PDF
Insgesamt nahmen an der Befragung 151 Personen teil. Davon 84 Studenten (56 Männer und 28 Frauen) und 67 Beratungen. Die Beratungen teilen sich auf in 17 kleine Beratungen (1-10 Mitarbeiter), 40 mittelgroße Beratungen (11-50 Mitarbeiter) und 10 große Beratungen (>50 Mitarbeiter). Die Befragung ist somit nicht repräsentativ, deckt aber den gesamten Beratungsmarkt ab.