Interview: "Kunden erwarten konkrete Ergebnisse mit hoher praktischer Relevanz"
Wie kommen Unternehmen mit ihren Digitalisierungbestrebungen voran? Welche Rolle spielt IBM mit seinem Vorzeigeprojekt Watson dabei? Und was können Berater tun, um Digitalisierung und KI anzutreiben? Stefan Lutz, (Geschäftsführer IBM Deutschland GmbH, General Manager Global Business Services DACH) im Gespräch mit BDU-Präsident Ralf Strehlau.
Ralf Strehlau: Die Digitalisierung verändert auch die Wirtschaft in rasender Geschwindigkeit. Wie gut sind deutsche Unternehmen hier und beim Thema Künstliche Intelligenz aufgestellt?
Stefan Lutz: Die Digitalisierung sehe ich prinzipiell als immense Chance, gerade für uns hier in Deutschland. Allerdings besteht schon eine gewisse Gefahr, dass wir in Deutschland und ganz Europa wieder einmal die Risiken von Technologien und die Bedenken hinsichtlich deren Anwendungen in den Mittelpunkt stellen. Für uns sollte von entscheidender Bedeutung sein, dass wir im weltweiten Vergleich nicht den Anschluss bei Schlüsseltechnologien wie zum Beispiel Künstlicher Intelligenz verlieren. Natürlich gehört dazu auch, sich parallel Gedanken zu den Leitplanken zum Einsatz solcher Technologien zu machen, unter anderem zu Themen wie Datenschutz und Datenhoheit.
Vor kurzem war ich bei einem Politikerfrühstück zum Thema Quantum Computing in Berlin. Diese Technologie hat das Zeug, Prozesse in Unternehmen, aber auch ganze Industrien zu verändern. Aber auch hier stellt sich wieder die gleiche Frage: Setze ich – besonders am Anfang – meine Energie hauptsächlich für die öffentliche Diskussion um Sicherheit und Regulatorik ein? Oder lege ich den Schwerpunkt darauf, erste Erfahrungen in Labor- und Testumgebungen zu sammeln, Geschäftsmodelle für die kommerzielle Nutzung zu entwickeln bzw. Skills und Fähigkeiten aufzubauen, zum Beispiel über die Einbindung von Universitäten – alles mit dem Ziel, eine Vorreiterrolle bei der Nutzung einer neuen Technologie einzunehmen?
Wir müssen hier sicherlich die richtige Balance finden, ja, aber eben auch mutig sein!
Ralf Strehlau: Heißt das, dass Wirtschaft und Politik nicht genug in die Wahrnehmung der Gesellschaft des Nutzens von Digitalisierung investieren?
Stefan Lutz: Ich glaube, dass sich Unternehmen ihrer Rolle als „Aufklärer und Mittler“ bewusst sind. Da wird schon sehr viel Informations- und Kommunikationsarbeit geleistet.
Im politischen Umfeld haben wir allerdings nach meiner Einschätzung mehr Luft nach oben. Einerseits erlebe ich sehr viel Interesse bei Gesprächen in politischen Kreisen, andererseits fehlen nicht selten die klaren Zuständigkeiten. Wir sind selbst als IBM in der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, die jetzt die KI-Strategie definiert. Das gibt uns die Möglichkeit, an diesen wichtigen Themen mitzuwirken und unser Wissen und unsere Erfahrungen als Unternehmen in die Politik zu tragen. Aktuell befinden wir uns jedoch noch sehr stark im Diskussionsmodus mit vielen Begriffsbestimmungen und gestalten noch zu wenig aktiv.
Als in hohem Maße exportorientiertes Land müssen wir deutlich machen, dass die nächste Generation der Produkte, die wir exportieren wollen, stärker durch diese Technologien digitalisiert sein wird. Die Grundlagen für den Erfolg müssen wir jetzt legen, indem wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Beispielsweise durch eine hochwertige Ausbildung in Universitäten, um junge Menschen systematisch an diese Technologien heranzuführen. Mit dem klaren Ziel, nicht hinterher zu laufen, sondern vorneweg zu gehen.
Ralf Strehlau: Kann man von einer KI-Revolution analog der Industriellen Revolution ab Mitte des 18. Jahrhunderts sprechen und für wie groß schätzen Sie die Auswirkungen für die Arbeitswelt und die Menschen ein?
Stefan Lutz: Künstliche Intelligenz kann definitiv als 4. Industrielle Revolution bezeichnet werden. Ich bin davon überzeugt, dass dieses neue Wirtschaftszeitalter sehr positiv sein und extrem viele Chancen bieten wird.
Ich mache es häufig am folgenden Beispiel fest: Das Thema Talent und Skills bewegt viele, gerade auch, wenn man mit Entscheidern in unserem Land spricht. Hier heißt es: In fünf Jahren oder zehn Jahren verliere ich ein Drittel meiner Belegschaft und das damit verbundene Know-how. Wie kann ich Wege finden, um dieses Know-how zu erhalten? Wie kann ich letztendlich auch die Lücke an Facharbeitern, die dadurch entsteht, schließen?
Hier antworte ich: Durch die Möglichkeiten der Technologien werden sich Arbeitsabläufe verändern, Prozesse automatisieren und Produktivitätssteigerungen erzielen lassen. Gewisse Arbeitsplätze werden dadurch in Zukunft nicht mehr bestehen, knappe Skills damit aber auch effizienter genutzt und Facharbeiter-Lücken eben auch geschlossen oder zumindest reduziert werden.
Ralf Strehlau: Aber es wird natürlich nicht nur Gewinner in den bevorstehenden Veränderungsprozessen geben, sowohl in Unternehmen, als auch gesellschaftlich. Wie ehrlich muss man damit umgehen?
Stefan Lutz: Abstreiten oder abwiegeln wird sicherlich nicht die richtige Strategie sein. Ich glaube, dass es in den Unternehmen umfangreiche Programme für die kontinuierliche aktive Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern geben muss und geben wird. Lebenslanges Lernen wird zu allen Phasen des Berufslebens möglich gemacht und muss zentraler Bestandteil von Unternehmensstrategien werden. Bei IBM ist Re-Skilling und Upskilling ein wichtiges Thema, für das wir dediziert Zeiträume reservieren, um mit der Weiterentwicklung der Arbeitswelt mitzugehen.
Ralf Strehlau: Wie offen erleben Sie derzeit die Unternehmen beim KI-Thema? Gibt es Branchen die voran gehen?
Stefan Lutz: Ich denke, es sind alle Industrien unterwegs, sicherlich nicht alle gleich intensiv. Den Unterschied macht der handelnde und innovative Unternehmer, der die Chance für neue, attraktive Geschäftsmodelle sieht und der nicht erst auf externen Druck hin, zum Beispiel durch Wettbewerber und deren Produkte, aktiv wird und Veränderung treibt.
Wir thematisieren diese Entwicklung mit unseren Kunden als Transformation hin zum "Cognitive Enterprise", und sind mit zahlreichen Kunden aus verschiedensten Branchen in Projekten unterwegs. Das Thema findet große Resonanz, auch wenn ich in meinen Kundeninteraktionen sehr unterschiedliche Reifegrade erlebe.
Schon vor einigen Jahren sind wir beispielsweise mit einem Kunden aus der Baustoffbranche gestartet, von der man innvovative Aktivitäten vielleicht nicht so direkt erwarten würde. Die Unternehmen dort haben festgestellt, dass Energieverbrauch der größte Kostentreiber ist; hinzu kommt der gesellschaftliche Druck, den CO2 Ausstoß aufgrund des Klimawandels zu reduzieren. Eine Analyse ergab, dass der Energieverbrauch in den Werken sehr unterschiedlich ist, ohne dabei unbedingt mit der Qualität und dem Output zu korrelieren. Daraus ergab sich die Aufgabenstellung, Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Betriebsparametern und dem Energieverbrauch zu ermitteln und auf dieser Basis "cognitive" Handlungsempfehlungen für den Operator zu einem optimierten Betrieb zu geben und so den Energieverbrauch in Summe deutlich zu reduzieren.
Ralf Strehlau: Was raten Sie Ihren Kunden grundsätzlich bei deren Digitalisierungsaktivitäten: Lieber der ganz große Wurf als Big Bang oder lieber kleinere Lösungen in mehreren, individuellen Schritten?
Stefan Lutz: Beide Ansätze muss man in Erwägung ziehen. Beim Reifegrad im Kontext von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz sprechen wir von "Chapter 1" und "Chapter 2". Den Übergang zwischen beiden Phasen macht aus, , das Laborstadium und der Zeit des Experimentierens hinter sich zu lassen, aus Proof-of-Concepts (PoC) werden Minimal Viable Products (MVP) und produktive Lösungen; es geht also um Skalierung und wirkliches Einzahlen auf die Unternehmensstrategie bzw. finanzielle KPIs. Entsprechend ändert sich der Fokus tendenziell von Consumer Apps hin zu unternehmensinternen Use Cases in Produktion und Supply Chain mit entsprechend erfolgskritischen Prozessen.
Dafür nutzen wir die sogenannte "IBM Garage". Zentraler Baustein unserer Methodik sind neue Vorgehensweisen wie z. B. Design Thinking und Agile. Iterationen erlauben die Skalierung von PoC und MVP zur unternehmensweiten Lösung. Dabei wird das Zielbild des "Cognitive Enterprise" nicht aus den Augen gelassen und wir fahren einen end-to-end Ansatz, bei dem wir alle unser Fähigkeiten als IBM einbringen können, inklusive unserer jeweils aktuellsten Assets aus unseren Laboren. Wir erreichen so eine kontinuierliche Innovation für unsere Kunden.
Ralf Strehlau: Das heißt für die meisten Unternehmen zuerst durch eine Lernkurve von Piloten und dann in die Skalierung zugehen. Direkt in eine Skalierung reinzuspringen funktioniert im Zweifelsfall für die meisten nicht, oder?
Stefan Lutz: Das ist einerseits richtig, andererseits ist für die meisten Kunden, die Zeit aber reif für Skalierung. Wenn ich momentan mit Kunden spreche, heißt es nicht: "Unterstützt uns dabei, Experimente zu machen." Vielmehr suchen Kunden Unterstützung bei uns, um von Proof-of-Concepts und Minimal Viable Products in produktive Lösungen zu skalieren, mit dem Ziel, einen Beitrag zu Umsatzwachstum oder Kostenoptimierung zu erzielen. Entscheidungsträger verlangen immer mehr einen end-to-end Ansatz, der über das gesamte Unternehmen skaliert wird und ihnen hilft, ihre Unternehmensstrategie nachhaltig zu verfolgen.
Ralf Strehlau: Ohne immer ausgefeiltere Cloud-Angebote und Analytics-Einsatz lassen sich Digitalisierungsprojekte kaum noch umsetzen. Gerade hier bei uns in Deutschland bewegt und verunsichert das Thema Datenschutz sowohl Politiker, als auch viele Bürger. Was sollten Unternehmen hier tun?
Stefan Lutz:Vor allem offen kommunizieren und geltende Regulierungen erfüllen bzw. darüber hinaus Selbstverpflichtungen eingehen. Wir als IBM haben einen Code of Conduct etabliert mit weitreichenden Regelungen und Standards zu Sicherheit, Datenschutz und Datenhoheit. Das bedeutet in der Konsequenz zum Beispiel, dass wir als IBM keine Hoheit an Daten unserer Kunden beanspruchen und keine datenbasierten Geschäftsmodelle betreiben. Hier unterscheiden wir uns ganz bewusst von anderen Anbietern im Markt. Hinzu kommt, dass wir unseren Kunden für besonders regulierte Industrien auch spezifische Lösungen mit einer ausschließlichen Datenhaltung in Europa bzw. sogar in Deutschland anbieten können, beispielsweise für unser Digitale Gesundheits-Plattform über unser Cloud-Rechenzentrum in Frankfurt.
Gerade am Anfang dieses Jahres haben wir unsere Selbstverpflichtung auch im Bereich Künstliche Intelligenz ergänzt. Hier insbesondere zu Themen, wie auf Basis welcher Daten selbstlernende Systeme trainiert werden und wie entsprechend Diskriminierung vermieden wird.
Ich kann ein solches Vorgehen nur empfehlen somit werden klare Leitplanken gesetzt, sowohl für Kunden als auch für Mitarbeiter.
Ralf Strehlau: Kann man sagen, dass Ihr Unternehmen datenschutzrechtlich eher ein deutsch-europäisches Unternehmen ist?
Stefan Lutz: Absolut, aber auch unser weltweites Commitment an unsere Kunden, dass ihre Daten ihnen gehören und wir keine datenbasierten Geschäftsmodelle verfolgen.
Ralf Strehlau: Damit verabschieden sie sich natürlich ein Stück weit von der Börsenkapitalisierung, die ein Google oder ein Amazon erreichen kann und limitieren in einer gewissen Weise Ihr Wachstum, denn die großen Hebel liegen aus Sicht vieler ja in Datengeschäften, oder?
Stefan Lutz: Ja und nein. Unsere Strategie ist es, der Technologiepartner unserer Kunden zu sein und sie bei der Transformation zu einem "Cognitive Enterprise" zu unterstützen. Dafür bringen wir Produkte und Assets mit, aber auch Services, um auf dieser Basis für konkrete Use-Cases von Unternehmen Lösungen zu implementieren.
Für uns, die wir vor allem im B2B-Bereich aktiv waren und sind, ist es langfristig gesehen eine nachhaltigere Strategie. Wir sind über 100 Jahre im Markt und uns geht es jetzt nicht um ein Strohfeuer für ein oder zwei Quartale. Dazu passt unser Commitment zu Open-Source und die ganz aktuelle Red Hat-Akquisition, weil wir es mehr und mehr mit verschiedenen Plattformen von unterschiedlichen Providern und Eco-Systemen mit vielen Spielern zu tun haben werden – und da geht es in hohem Maße um Interkonnektivität sowie Interoperabilität dieser Plattformen.
Ralf Strehlau: Haben Sie ein Beispiel aus Ihrer Beratungspraxis, dass Ihren Anspruch deutlich macht?
Stefan Lutz: Wir sind mit der Techniker Krankenkasse als Ankerkunde im Bereich elektronische Gesundheitskarte (eGA) und digitale Gesundheitsplattform unterwegs. Aktuell sind die neuen regulatorischen Anforderungen der elektronischen Patientenakte (ePA) anzugehen. Ich kann Ihnen sagen, dass Gesundheitsdaten noch stärker reguliert sind, als nur die rein persönlichen Daten.
Das Ganze läuft in unserem Cloud-Rechenzentrum in Frankfurt, das durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifiziert ist. Wir erfüllen alle regulatorischen Anforderungen unter anderem alle Regelungen des Sozialgesetzbuches inklusive jüngster Gesetzesänderungen. Damit ist die Lösung so konzipiert, dass wir als Hersteller und Betreiber zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf die Daten eines Versicherten haben. Wir verarbeiten lediglich anonymisierte Datensätze, die nur mit dem Schlüssel des Versicherten und dessen expliziter Einwilligung an Leistungserbringer, wie Ärzte und Krankenhäuser, für diese lesbar sind. Die Entscheidung, wem Sie als Versicherter also die Daten geben wollen, treffen alleine Sie.
Ralf Strehlau: Wir sind ja heute im Watson IoT-Tower zum Gespräch verabredet: IBM ist 2017 mit Watson in Deutschland gestartet: Wie zufrieden ist Ihr Unternehmen mit der Entwicklung?
Stefan Lutz: Watson kann man letztendlich als eine große Produktfamilie bezeichnen, die seit 2011 und Watson´s Auftritt in der Jeopardy-Show nicht zuletzt für unser Investment in Daten, Analytics und Künstliche Intelligenz steht. Wir waren damit sicherlich unserer Zeit voraus und es ist sicherlich an der einen oder anderen Stelle eine Erwartungshaltung entstanden, die die Technologie zum damaligen Zeitpunkt noch nicht liefern konnte. Das hat insbesondere damit zu tun, dass lange Zeit unterschätzt worden ist, wie groß der Aufwand ist, KI-Systeme zu trainieren.
Mittlerweile sind wir aber mitten in der industriellen Anwendung solcher Technologien. Die Anzahl der Use Cases wächst dramatisch - was Sie auch an der Zahl der Demo-Punkte in unseren Industry Labs im Watson IoT Center in München sehen – und unsere Kunden erleben ganz konkret die positive Auswirkung auf ihre Geschäftsziele. Daher kann ich sagen: Ja, wir sind mit der Entwicklung zufrieden.
Ralf Strehlau: Können auch Consultingfirmen Watson-Angebote nutzen? Wie ist da das Zusammenspiel?
Stefan Lutz: Wir pflegen als IBM grundsätzlich ein offenes Partner-Eco-System, das gilt natürlich auch für andere Beratungsunternehmen. Das mag im Einzelfall auch einmal eine Wettbewerbssituation mit meiner Unit "Global Business-Services" bedeuten. Zum Beispiel betreiben wir mit einem anderen großen Beratungshaus ein Kompetenzcenter zu Artificial Intelligence, mit BearingPoint arbeiten wir zu RegTech Themen im Banking-Bereich zusammen oder mit einer KPMG im Bereich IFRS für Leasing.
Ralf Strehlau: Da drängt sich die Frage auf, wie positionieren Sie sich hier als IBM-Global-Business-Services und welchen Mehrwert schaffen Sie für Ihre Kunden?
Stefan Lutz: Das ist für mich eng mit der grundsätzlichen Frage verbunden, wie sich die Fokus-Themen der Branche über die Jahre entwickelt haben und wie sich sogar Consulting selbst in Zeiten der Digitalisierung bzw. neuen Technologien verändert. In der Vergangenheit ging es häufig um die Standardisierung und Harmonisierung von Prozessen und wir alle erinnern uns an die Hochphase des Process Reeingeneering. Die nächste Phase des "Globally Integrated Enterprise" war durch Shared Services und eine Verlagerung von Prozessen und Verantwortlichkeiten in Richtung Near- und Off-Shore bestimmt. Aktuell drehen sich die Fragestellungen darum, wie wir Unternehmen bei ihrer Digitalisierung unterstützen und wie wir den Prozess gestalten, dass neue Technologien Unternehmensabläufe bzw. sogar ganze Industrien verändern.
Wir haben uns hier als IBM und Global Business Services mit dem "Cognitive Enterprise" aufgestellt und sind mit unserer Technologie- und Innovations-DNA auf der einen Seite und mit unserem breiten Portfolio zu Cloud, Security, Blockchain oder Analytics und KI auf der anderen Seite ein glaubwürdiger und geeigneter Partner, um unsere Kunden gerade bei dieser Transformation zu beraten und zu unterstützen.
Ralf Strehlau: Was bedeutet das alles für unsere Tätigkeit als Unternehmensberater?
Stefan Lutz: Ich glaube, wenn wir als Berater unseren Auftrag ernst nehmen, dann müssen wir uns auch eingestehen, dass die beschriebenen Trends die Vorgehensweise und Prozesse von Unternehmensberatungen selbst verändern werden und damit auch ein verändertes Anforderungsprofil für uns Berater verbunden ist.
Aus meiner Sicht resultiert daraus ein ganz neuer Beratungsauftrag und neue Anforderungen an Unternehmensberatungen bezüglich Fähigkeiten und Skills. Die Nachfrage der Kunden nach Konzepten und papierbasierten Ergebnissen wird in diesem Kontext schwinden. Stattdessen wird mehr und mehr der Wunsch nach konkreten Ergebnissen mit hoher praktischer Relevanz geäußert, ganz im Sinne von „Show me, don’t tell me“. Hierfür sind wir als IBM Global Business Services exzellent positioniert.
Ralf Strehlau: Kann man noch unabhängig beraten, wenn man gefühlt so nah am Produkt ist, das ist ja eine klassische Diskussion?
Stefan Lutz: Ich sehe hier überhaupt kein Problem, weil wir als Beratung zum einen produkt-agnostisch unterwegs sind, zum anderen Open-Source Produkte heute eine immer wichtigere Rolle spielen.
Wir bieten unseren Kunden eine große Bandbreite an Lösungen an. Wenn der Kunde seine Entscheidung getroffen hat, können wir die für unsere eigenen IBM-Lösungen benötigten Skills einbringen, aber auch solche für Lösungen unserer Partner. Wir achten sehr wohl darauf, dass wir als Beratung auch in anderen Lösungen zertifiziert und beratungsfähig sind. Denn wir sind in einer Welt mit diversen Plattformen unterwegs und jeder muss offen sein für die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Ecosystem-Partnern.
Ralf Strehlau: Welche Rolle sehen Sie oder erwarten Sie von uns Beratern, um das Thema Digitalisierung und KI voranzutreiben?
Stefan Lutz: Zum einen braucht es Berater, die inhaltlich verstehen, was es bedeutet, einen Kunden auf seiner Reise zu einem Cognitive Enterprise zu begleiten. Wer heute sagt, ich berate dich bei einer Strategie oder beim Process Reengineering, wie du langfristig in deiner Industrie überlebensfähig bist, dabei aber nicht die Veränderungen durch Digitalisierung oder sonstige neue Technologien berücksichtigt, macht sich unglaubwürdig.
Darüber hinaus glaube ich, dass für unsere Beratungsmandate der Bedarf steigt, mehr Fähigkeiten zu kombinieren. Das sind technologische Skills, aber auch Kenntnisse zu Design Thinking oder Design als Kernprinzip, d.h. die volle Ausrichtung auf den Kunden bzw. den Kundennutzen, Intuition im ganzen Prozess sowie im User-Interface. Daneben werden natürlich Data Science Skills für Data Analytics und Künstliche Intelligenz immer kritischere Skills. Und vor allem werden unsere Berater auch agiler arbeiten und schneller greif- und erlebbare Ergebnisse für den Kunden liefern müssen.
Ralf Strehlau: Eine persönliche Frage zum Abschluss: Sie sind seit über 20 Jahren als Unternehmensberater tätig. Welches Projekt würden Sie aus heutiger Sicht als Ihr persönliches „Berater-Highlight“ bezeichnen?
Stefan Lutz: Da gab es doch einige, aber gerne ein Beispiel: Ich war viel in der Automobilindustrie und bei lokalen OEMs beratend tätig. Hier habe ich beispielsweise einen OEM dabei unerstützt, sich prozessseitig neu aufzustellen und die Prozesse in einer SAP-basierten Lösung zu implementieren. Wenn ich heute mit meinem Fahrzeug in die Werkstatt fahre und erlebe, wie die Monteure immer noch Aufträge oder Teile analog meines damaligen Projektes erfassen, dann ist das schon ein besonders zufriedenstellendes Gefühl.
Ralf Strehlau: Sehr geehrter Herr Lutz, ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch!