Interview: SPACS - eine mögliche Alternative zum Kapitalmarkt
Special Purpose Acquisitions Companies (SPACS) werden auch in Deutschland immer mehr zu einem alternativen Weg an die Börse. Für wen und wann ist eine SPAC-Gründung sinnvoll? Über dieses Thema sprach Peter Fricke (Head of Deutsche Börse Venture Network) mit BDU-Präsident Ralf Strehlau.
Ralf Strehlau: Wie gut ist die Deutsche Börse bislang durch die Corona-Pandemie gekommen und welche Erwartungen haben Sie für die zweite Jahreshälfte?
Peter Fricke: Wir sehen aktuell ein starkes Momentum für Listings in Frankfurt. Die weitere IPO-Pipeline ist zudem vielversprechend. Wir hatten seit Jahresbeginn 17 Zulassungen mit einem Platzierungsvolumen von über 9 Mrd. EUR. Das Spektrum der Listings erstreckt sich dabei von internationalen Großkonzernen über Tech-Unternehmen aus Deutschland und innovativen Life Sciences Unternehmen bis hin zu mehreren SPAC-Transaktionen. Die Emittenten schätzen an Frankfurt vor allem den internationalen Investorenzugang, die stabilen regulatorischen und politischen Rahmenbedingungen als auch unsere attraktive Indexwelt.
Ralf Strehlau: SPACs - also Special Purpose Acquisition Companies - werden auch in Deutschland als alternativer Weg an die Börse immer mehr zum Thema. In aller Kürze: Was sind SPACs?
Peter Fricke: Bei einer SPAC handelt es sich um eine Mantelgesellschaft ohne eigenes operatives Geschäft. Ziel ist es, durch ein Listing Kapital aufzunehmen und mit den Erlösen innerhalb eines begrenzten Zeitraums ein nicht-börsennotiertes Unternehmen zu übernehmen. Nach Abschluss der Transaktion ist das akquirierte Unternehmen indirekt über die SPAC an die Börse gebracht worden. Wir bieten verschiedene Optionen, um in Frankfurt an die Börse zu gehen. Dazu zählen neben klassischen IPOs, auch Spin-offs, SPACs oder Privatplatzierungen. Für einige Firmen ist eine SPAC-Struktur interessant und auch sinnvoll, für andere wiederum ist der klassische IPO der richtige und direkte Weg. Am Ende obliegt diese Entscheidung natürlich dem Unternehmen selbst und seinen Anteilseignern.
Ralf Strehlau: Wer kommt für die Rollen des Sponsors und des Gründers in Frage und welche Rechtsform wird in der Regel gewählt?
Peter Fricke: Das Managementteam setzt sich häufig aus Branchenveteranen, Private Equity-Sponsoren oder anderen Finanzierungsexperten zusammen. Für SPAC-Listings werden in Deutschland die in Europa etablierten Rechtsformen der luxemburgischen SE oder der niederländische N.V. (Naamlooze Vennootschap) genutzt. Diese Rechtsformen sind deutlich flexibler gegenüber der deutschen Aktiengesellschaft.
Ralf Strehlau: Für welche Teile der Wirtschaft kann eine SPAC-Gründung besonders interessant sein und ist auch eine Branchen-Fokussierung möglich?
Peter Fricke: Es ist nicht unsere Philosophie, bestimmte Arten von Börsengängen besonders herauszustellen. SPAC-Transaktionen sind dafür bekannt, Unternehmen einen schnelleren Weg an den öffentlichen Kapitalmarkt zu geben und liefern dem Management der SPAC gleichzeitig mehr Zeit und Flexibilität, um ein passendes Akquisitionsziel für ihre Investoren zu finden. Dabei kann die Nutzung einer SPAC für manche interessant sein, für andere wiederum nicht. Zu den wichtigsten Branchen gehören Technologie, Financial Services, Healthcare und der ESG-Bereich. 50 Prozent der SPAC-Listings in Europa hatten den Fokus Technologie.
Ralf Strehlau: SPAC-Prozesse orientieren sich ja an klassischen M&A-Prozessen. Was gilt es vorab kritisch zu prüfen, um mögliche Risiken transparent zu machen und qualitativ gute Entscheidungen treffen zu können?
Peter Fricke: SPACs sind keine klassischen Unternehmen mit aktiven Geschäftsmodellen, d.h. Anleger müssen sich fortlaufend über die Aktivitäten des SPACs informieren und die Investitionsstrategie des SPACs mit der eigenen Strategie abstimmen. Hierzu gehört es insbesondere die speziellen Risiken eines SPACs und der konkreten Transaktionsstruktur zu kennen. Für Einsteiger ist das sicher eine große Herausforderung. Das ist auch der Grund, warum bei SPAC-Listings Retail-Investoren grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Erfahrenen und professionellen Investoren bieten SPACs hingegen die Möglichkeit, sich zu einem früheren Zeitpunkt an einem Vehikel zu beteiligen, das in aufstrebende Firmen investiert.
Ralf Strehlau: Die deutsche Wirtschaftspresse hat sich zuletzt eher skeptisch geäußert und besonders moniert, man kaufe vielleicht die Katze im Sack. Können Sie diese skeptische Betrachtung nachvollziehen?
Peter Fricke: Im übertragenen Sinne kann man sagen, man kauft nicht die Katze im Sack, man kauft nur den Sack. Dieser wird jedoch in der Regel von einem Branchenexperten getragen. Die Initiatoren und das Management gelten als wesentlicher Erfolgsfaktor und nutzen das erworbene Fachwissen, um Kapital für den Erwerb der neuen Aktiengesellschaft zu beschaffen. Neben den möglichen Risken sollte man sich auch die Vorteile und Konsequenzen genauer ansehen und entsprechend abwägen. Das gilt sowohl für Investoren des SPACS als auch für Unternehmen, die den Zusammenschluss mit einem SPAC erwägen.
Ralf Strehlau: In den USA hat diese Form des Börsengangs zwischenzeitlich einen wahren Hype erlebt, zuletzt konnte man aber eher eine Überhitzung wahrnehmen. Woher kommt dort diese Ernüchterung? Liegt es vielleicht auch daran, dass die Sponsoren zwar namhaft sind, aber ihnen nicht immer die notwendige Fachexpertise zugestanden wird?
Peter Fricke: Es gibt mehrere Faktoren, die auf die Popularität von SPACs einzahlen, darunter freie Liquidität im Markt in einem Niedrigzinsumfeld, in dem Investoren nach höheren Renditen streben und hierbei unter anderem auf das Wachstum des europäischen Technologiesektors setzen. Die aktuelle Abkühlung im Markt, vor allem in den USA, lässt sich größtenteils dadurch begründen, dass sich der „Hype“ langsam normalisiert. Ein Grund dafür ist die Performance von SPACs. Zudem ist der Markt aufgrund der Vielzahl an Transaktionen gesättigt. Allgemein kann man sagen, dass die DE-SPACing Quote zwar gestiegen ist, nichtsdestotrotz gibt es immer noch genug SPACs, die noch kein geeignetes Zielunternehmen gefunden haben.
Ralf Strehlau: Herr Fricke, werfen Sie doch bitte abschließend noch einen kurzen Blick in die Glaskugel. Mit wie vielen SPAC-Börsengängen können wir an der Deutschen Börse bis zum Jahr 2025 rechnen?
Peter Fricke: Eine konkrete Prognose ist hier sicherlich schwierig. Aber wir rechnen damit, dass im Falle einer positiven Performance und Qualität der aktuellen Transaktionen, sich SPACs als Finanzierungsform am Markt etablieren könnten und fortan als eine mögliche Listingalternative für den Zugang zum Kapitalmarkt genutzt werden.
Ralf Strehlau: Sehr geehrter Herr Fricke, ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch!