ERLESEN

Datenschutzgrundverordnung und Marketing im Spannungsverhältnis: Die drei größten Mythen

Mythos oder Wahrheit? Die Verunsicherung, welche Änderungen die DSGVO mit sich gebracht hat, ist groß. Berichte aus dem Internet oder den Nachrichten befeuern diese, und es sind viele Gerüchte und Halbwahrheiten im Umlauf. Doch was stimmt wirklich? Dieser Artikel soll ein Stück Licht ins Dunkle bringen. Im Folgenden werden die drei größten Mythen rund um das Thema DSGVO und Marketing behandelt, um für mehr Klarheit und Rechtssicherheit im Praxisalltag zu sorgen.

Mythos Nr. 1: Neu-Kunden und Interessenten dürfen nicht unaufgefordert und ohne Einwilligung Werbematerial per E-Mail zugesendet bekommen


Nicht unbedingt! Datenschutzrechtlich gilt: Die Verarbeitung und Nutzung von Adressdaten zu Werbezwecken erfordert nicht zwingend eine Einwilligung des Betroffenen. Wie bisher gibt es eine Alternative zur Einwilligung. An die Stelle der umständlichen Regelungen des „Listenprivileg“ nach dem alten Bundesdatenschutzgesetz tritt die Möglichkeit, auf der Grundlage „berechtigter Interessen“ des Werbenden gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zu handeln. Aus den Erwägungsgründen der DSGVO ergibt sich ausdrücklich, dass Direktwerbung ein solches berechtigtes Interesse darstellen kann.

 

Aber Achtung: Die Regelungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sind zusätzlich zum Datenschutzrecht zu beachten. Während die DSGVO die Verwendung der Daten für Marketingzwecke regelt, richtet sich nach dem UWG, über welche Kanäle und unter welchen Voraussetzungen Werbung adressiert werden darf. Speziell für die Zusendung elektronischer Post enthält § 7 Abs. 3 UWG eine Ausnahme vom grundsätzlichen Einwilligungserfordernis. Danach ist der Versand von E-Mails zulässig, wenn:

  • ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden dessen E-Mail-Adresse erhalten hat,
  • er die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet,
  • der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat (Opt-out) und
  • der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne das hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.


Liegen die oben genannten Voraussetzungen sämtlich vor, können elektronische Newsletter auch ohne Einwilligung versendet werden.


Mythos Nr. 2: Auf Grund der DSGVO müssen alle Bestandskunden per E-Mail angeschrieben und um ein Opt-in zum Erhalt von Newslettern gebeten werden


Falsch! Für dieses in der Praxis häufig anzutreffende Phänomen gelten die Ausführungen zu Mythos Nr. 1 entsprechend. Das heißt: Datenschutzrechtlich wird man sich grundsätzlich auch bei Bestandskunden auf berechtigte Interessen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO stützen können. Nach altem Recht eingeholte Einwilligungen bleiben zudem wirksam, wenn sie den Grundsätzen des neuen Rechts entsprechen, die Einwilligung also im Wesentlichen informiert und ausdrücklich erklärt wurde. Wie bereits gesagt, ist zusätzlich das UWG zu beachten. Daran hat die DSGVO nichts geändert. Wer sich auf die Ausnahme nach § 7 Abs. 3 UWG berufen will, muss allerdings beachten, dass die E-Mail Adresse tatsächlich im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Produktes oder einer Dienstleistung erlangt sein muss. Das bloße Anbahnen einer Kundenbeziehung (z.B. durch Aushändigen einer Visitenkarte) ist nicht ausreichend. Zudem darf die Kundenbeziehung nicht zu alt sein. Dies ist nach allgemeinen Maßstäben bereits der Fall, wenn maximal 2 Jahre kein Kontakt zu dem Kunden bestand. Sind die Daten in diesem Sinne zu alt, ergibt sich folgendes Dilemma: Es müsste nachträglich eine wirksame Einwilligung eingeholt werden. Allerdings ist dies praktisch und rechtlich schwer umsetzbar. Denn bereits eine E-Mail, mit der die Einwilligung eingeholt werden soll, ist strenggenommen eine unzulässige Werbeemail. Wer rechtlich auf Nummer sicher gehen will, sollte seine Datenbanken aufräumen und Alt-Daten löschen oder zumindest für die werbliche Nutzung sperren.

 


Mythos Nr. 3: Auch zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen muss stets eine Einwilligung vorliegen


Falsch! Die Einwilligung ist kein „Allheilmittel“ und die Anforderungen an ihre Wirksamkeit recht hoch. Zudem gibt es einen gewichtigen Nachteil: Die Einwilligung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Daher sollte stets geprüft werden, ob nicht eine andere Rechtsgrundlage in Betracht kommt. Unerheblich, ob es um die Versendung von Angeboten, die Teilnahme an Gewinnspielen oder um die Datenerhebung über Kontaktformulare geht, all dies ist nach der DSGVO nur dann rechtmäßig, wenn nur die Daten erhoben und verarbeitet werden, die für die Durchführung der konkreten Maßnahme auch erforderlich sind. Ist diese Anforderung erfüllt, muss auch keine Einwilligung eingeholt werden. So ist etwa bei einem Online-Gewinnspiel die Verarbeitung des Namens und der Adresse für die Durchführung des Gewinnspiels und die anschließende Benachrichtigung zwingend erforderlich (und daher bereits nach Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO zulässig), eine Telefonnummer aber in der Regel nicht. Die Angabe der Telefonnummer wäre dann freiwillig und ist auch als solche freiwillige Angabe zu kennzeichnen.

 

Britta Hinzpeter, Salaried Partnerin, Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek

 

Zurück zur Übersicht