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Interview: „Es ist wirklich Unternehmerzeit und nicht Unterlasserzeit!“

Klaus-Jürgen Philipp, Geschäftsführer von Haus Rabenhorst sprach mit BDU-Präsident Ralf Strehlau über die Bedeutung von Nachhaltigkeit für eine Premiummarke und wie sich Haus Rabenhorst in Zeiten starker Veränderungen aufstellt. 

Ralf Strehlau: „Nachhaltigkeit“ spielt in der Unternehmensphilosophie von Rabenhorst schon von Beginn an eine tragende Rolle. Wie kam es dazu?

Klaus-Jürgen Philipp: Anfang des 20. Jahrhunderts konnte mit eigenentwickelten Pasteurgeräten eine stark verbesserte Haltbarkeit für Traubensaft erreicht werden, der unter der Bezeichnung alkoholfreier Medizinalwein verkauft wurde. Parallel entstand aufgrund des gemeinsamen Naturverständnisses eine Zusammenarbeit mit Reformhäusern, die aus einer sehr starken Naturbewegung kamen. Ein weiterer wichtiger Schritt bestand in den 60er Jahren darin, mit der Uni Kassel die ersten ökologischen Landbauprojekte zu initiieren. Ziel war, ertragreiche Ernten und Produkte von höchster Qualität zu bekommen, ohne dem Boden zu viel zuzumuten. An dieser Unternehmens-DNA und der damit verbundenen Markenpositionierung haben wir bis heute nichts verändert.

 

Ralf Strehlau: Mit Ihren Säften bewegen Sie sich in einem Hochpreissegment. Ist das nicht - speziell im Hinblick auf die deutschen Verbraucher - mutig?

Klaus-Jürgen Philipp: Ja, das stimmt und es hilft sicherlich, von Beginn an nie zu den „Discountern“ gehört zu haben. Aus meiner Sicht kann man als Unternehmen vereinfacht gesagt drei Richtungen verfolgen: besser, anders, billiger. Letzteres war nie eine Option. Wir wollen nach unserem Verständnis vor allem der Beste sein. So hat Rabenhorst gerade vor zwei Wochen eine Goldmedaille durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft für die herausragende Produktqualität in einer Warengruppe erhalten. Auf der anderen Seite verlangen wir viel Geld für unsere Ware. Daher müssen die besondere Qualität und Nachhaltigkeitsorientierung auch ohne Bio-Kennzeichnung immer wieder bestätigt werden. Sonst geht die Legitimation für Premium-Preise schnell verloren.

 

Ralf Strehlau: Sie bringen immer wieder neue Produkte und Geschmacksrichtungen auf den Markt. Ist dies auch ein Teil der Premium-Ausrichtung von Rabenhorst?

Klaus-Jürgen Philipp: Unbedingt, ich gewinne den Kampf im Wettbewerb ja nicht auf der Apfel- oder Orangensaftseite, sondern eher bei Spezialitäten. Ein Beispiel: Wir haben eine 0,33iger Flasche mit Saft aus seltenen Haskapbeeren eingeführt. Schmeckt sensationell, bringt von Haus aus den Bestandteil Mangan mit und beinhaltet damit eine zusätzliche gesundheitliche Funktion. Die kleine Flasche kostet im Endverbraucherpreis zwölf Euro. Mit einem solchen Schritt nach ganz oben wird dem Verbraucher signalisiert: Bei uns erhaltet ihr etwas wirklich Besonderes!

 

Ralf Strehlau: Stehenbleiben ist also verboten?

Klaus-Jürgen Philipp: Stillstand ist in der Tat Rückgang. Aber wir sind sehr gut darin, Nischen zu entdecken und zu erkennen. Woher kommt das? Zum einen sind wir in 40 Ländern der Welt unterwegs und erhalten unglaublich viel Feedback sowohl von europäischen als auch asiatischen Partnern. Darüber hinaus arbeiten wir mit sehr vielen Anbaubetrieben langjährig und vertrauensvoll zusammen. Die liefern immer wieder neue Ideen. Hinzu kommt ein ausgefeiltes Marktforschungssystem, dass es uns ermöglicht, Trends frühzeitig und international aufzugreifen.

 

Ralf Strehlau: Welche Trends kennzeichnen den Säftehersteller-Markt derzeit?

Klaus-Jürgen Philipp: Im Augenblick sind beispielsweise Shots und Home-Shopping total angesagt. Ein Beispiel: Südkorea ist nach USA weltweit der zweitgrößte Home-Shoppingmarkt mit 10 Milliarden Dollar Umsatz und hochprofessionellen Strukturen. Letztens hatten wir dort an einem Tag eine Doppelsendung im TV, eine morgens und eine abends. Unser Shot wurde in diesem Präsentationsumfeld eine halbe Million Mal verkauft, wohlgemerkt in zwei Stunden!

 

Ralf Strehlau: Worin sehen Sie die größten Erfolgsfaktoren, um erfolgreich durch notwendige Veränderungen zu kommen?

Klaus-Jürgen Philipp: Das ist sehr vielschichtig, aber zwei Faktoren möchte ich stellvertretend hervorheben. Erstens: Wichtig sind flache Hierarchien und ein hohes Empowering der Mitarbeitenden. Ich mache immer wieder klar, wir sind nur dann erfolgreich, wenn jeder an der Stelle, wo sie oder er arbeitet, einen guten Job macht. Wenn alles toll läuft, aber an der Rampe die falschen Produkte in die Container gepackt werden, dann fällt das auf das ganze Unternehmen zurück. Oder wenn der Kunde leider nicht die Rechnung zahlen kann, weil wir versäumt haben, sicherzustellen, dass eine Liquidität oder Finanzierungsoption gegeben ist, hat das Auswirkungen auf Rabenhorst insgesamt. Zweitens: Veränderung sehe ich als kontinuierlichen Prozess. 2008 gab es neben unseren Säften eine Teemarke, eine Weinmarke, eine Mineralwassermarke sowie einiges mehr. Wir haben seitdem ein extremes Portfolio-Management betrieben und vieles außerhalb des Kerngeschäftes eingestellt. Oder: Lange kam der überwiegende Teil des Umsatzes aus den Reformhäusern. Durch Öffnung der Vertriebskanäle stammt heute der Großteil des Umsatzes aus dem Einzelhandel. Das sagt sich so leicht, bedeutet aber eine ganz andere Mitarbeiterqualität und -mentalität im Vertrieb. Ob ich mit einem Apotheker rede oder mit einem Zentraleinkäufer von Super- und dm-Märkten ist ein riesiger Unterschied.

 

Ralf Strehlau: Nutzen Sie eigentlich die Expertise von Consultants?

Klaus-Jürgen Philipp: Wir können und wollen gar nicht ohne. Während meiner ersten beruflichen Station bei Jacobs Suchard hieß es: Nur gute Unternehmen können sich auch gute Berater leisten. Das kann ich aus heutiger Sicht nur bestätigen. Ich glaube, dass wir ein gutes Unternehmen sind, also arbeiten wir aktuell beispielsweise mit externer Unterstützung an einem neuen ERP-System. Bei der immer schwieriger werdenden Personalsuche setzen wir auf das Know-how von Personalberatern oder bei Marketing-Themenstellungen auf spezialisierte Anbieter zur Marktpositionierung oder für die Social Media-Kommunikation. Immer nach dem Motto: Expertise, die ich nicht ständig benötige, baue ich nicht selbst auf, sondern ziehe gezielt gute Leute von außen projektbezogen hinzu.

 

Ralf Strehlau: Welche Nachhaltigkeitsprojekte sind für Sie im eigenen Unternehmen aktuell von besonderer Bedeutung?

Klaus-Jürgen Philipp: Wir machen keine Leuchtturmprojekte, sondern entwickeln seit 25 Jahren breitangelegte Nachhaltigkeitsprogramme, die für eine kontinuierliche Verbesserung sorgen. So haben wir gerade acht Elektroladestationen gebaut, um unseren Fuhrpark auf Elektromobilität umzustellen. Weiterhin laufen zurzeit die Planungen für Photovoltaikanlagen auf unseren Dächern für den Eigenverbrauch.

 

Ralf Strehlau: Welche Rolle wird Nachhaltigkeit in den kommenden Jahren insgesamt und damit auch für Rabenhorst spielen?

Klaus-Jürgen Philipp: Die meisten in Deutschland unterschätzen die Dynamik des Themas Nachhaltigkeit noch völlig. Wer hier als Unternehmer nicht handelt, der bekommt künftig keine Eintrittskarte mehr fürs Kino! Bei Rabenhorst hilft uns enorm die hohe Glaubwürdigkeit bei den Verbrauchern. Wir werden nicht als Green-Washer wahrgenommen, sondern als Substanz-Verbesserer.

 

Ralf Strehlau: Neben aller nachhaltigen Orientierung bleibt eine hohe Wettbewerbsfähigkeit natürlich ein wichtiges Ziel. Wie kann das gelingen?

Klaus-Jürgen Philipp: Lassen Sie es mich auf eine kurze Formel bringen: Es ist wirklich Unternehmerzeit und nicht Unterlasserzeit! Wir stellen uns aktiv den Herausforderungen und entwickeln schnell kreative und sehr effiziente Lösungen für die notwendigen Veränderungen. Da besitze ich als Geschäftsführer bei Rabenhorst den großen Vorteil, dass dieses Unternehmen mit 200 Mitarbeitern und knapp 60 Millionen Euro Umsatz als Mittelständler wirklich ein Schnellboot ist. Hierdurch sind wir einem großen Tanker überlegen, der vielleicht in der Durchschlagskraft besser ist, aber in der Geschwindigkeit und Flexibilität mit uns nicht mithalten kann. Wenn wir der Meinung sind, dass wir irgendwo handeln müssen, dann sind wir sauschnell. Konkret heißt das: Im Zweifel wird aus einer Idee in acht Wochen ein marktfähiges Produkt. Das schaffen nur wenige.

 

Ralf Strehlau: Sehr geehrter Herr Philipp, ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch!

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